Post-Partum Document I. Prototype

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© Sammlung Generali Foundation - Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg

Mary Kelly

Post-Partum Document I. Prototype, 1974

Installation 10 Teile Analyse von Fäkalspuren und Nahrungstabellen, 1. bis 7. Jänner 1974, 7 Windeleinlagen mit Fäkalienspuren, Plastikfolie, Text, Tinte auf weizem Karton, 3 Schwarz-weiß-Fotokopien Gerahmt in Acrylglasboxen à 36,3 x 28,7 x 3,5 cm

GF0001975.00.0-1998

Werktext

Einleitung In Post-Partum Dokument möchte ich die Wechselseitigkeit des Sozialisationsprozesses während der ersten Lebensjahre aufzeigen. Nicht nur die zukünftige Persönlichkeit des Kindes wird in dieser entscheidenden Phase geformt, sondern auch die weibliche “Psychologie” der Mutter wird durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der Kindererziehung besiegelt. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist kein symmetrisch strukturiertes System, demzufolge die Frauen innerhalb und die Männer außerhalb des Hauses arbeiten, sondern vielmehr eine verwickelte, oft asymmetrische Aufgabenverteilung, die einen strukturellen Zwang zur Heterosexualität impliziert. Eines der offensichtlichsten Beispiele für diese Unausgewogenheit ist die Tatsache, dass Frauen immer noch für die soziale Reproduktion und Dienstleistungen zuständig sind, um die Arbeitskraft (das heißt, Männer und Kinder) zu versorgen. Noch bezeichnender jedoch ist der Umstand, dass die Kernfamilie im Zeitalter des Kapitalismus zwar einerseits mehr Teilnahme des Vaters an der Hausarbeit und Kindererziehung erfordert, aber gleichzeitig die soziale und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufrechterhält. Die letzte Bastion des Zwangs zur Heterosexualität stellt deshalb auch die Kindererziehung dar. Gewisse Aufgaben wie das Baden des Kindes, das Windelnwechseln und das Aufstehen in der Nacht bleiben fast ausschließlich den Frauen überlassen. Aber die Charakteristik dieser Arbeiten ist essentiell für die Reproduktion der Produktionsverhältnisse, da die daraus resultierende monolithische Mutter-Kind- Beziehung auch jene Grundstrukturen herausbildet, auf die sich die Sozialisation von Erwachsenen gründet. Dokumentation I Analyse von Fäkalienspuren und Nahrungstabellen Ich habe den Ernährungsprozess und das Wickeln über einen Zeitraum von drei Monaten, von Januar bis März 1974, aufgezeichnet. Den Februar, das heißt, den sechsten Lebensmonat des Kindes, habe ich deshalb für dieses Dokument gewählt, weil in dieser Zeit die radikalsten Veränderungen stattfanden. Die Gesamtmenge an fester Nahrung betrug am 1. Februar 8 Teelöffel, am 28. Februar 30 Teelöffel. Dem entsprach eine Gewichtszunahme von 7,65 Kilogramm auf 8,24 Kilogramm. In dem in der Ausstellung präsentierten Dokument wurden die Angaben über die tägliche Nahrungsaufnahme des Kindes mit dem jeweiligen Stuhlgang, das heißt, einem Bild der schmutzigen Windeln, kombiniert, welche ich nach folgendem Schlüssel analysiert habe: 01 Verstopfung 02 Normal 03 Nicht konsistent 04 Weich 05 Durchfall Das Wachstum einer bestimmten Gattung verhält sich direkt proportional zur konsumierten Energiemenge. Ein sieben Monate altes Kind kann nur 13 Prozent seiner Nahrungsenergie in sein Wachstum umsetzen, der Rest wird ausgeschieden. Die erstmalige Aufnahme von fester Nahrung stellt ein dramatisches Ereignis dar, da dadurch erstmals Fäulnisbakterien in den bis dahin überwiegend sterilen Verdauungstrakt des neugeborenen Kindes gelangen. Daher hängt die genaue Beschaffenheit der Fäkalien von folgenden Faktoren ab: (1) von der Art der Nahrung und der Vollständigkeit der Verdauung; (2) vom Ausmaß der Fäulnis und der Fermentierung; (3) von der Menge der abgesonderten Gallenflüssigkeit; (4) von der Menge an Fett und Wasser, die vom Organismus nicht aufgenommen wird. (Mary Kelly)

Leihgeschichte
2005 Zagreb, CRO, Galerija Klovicevi Dvori 2005 München, DE, Haus der Kunst 2005 Rotterdam, NL, Nederlands fotomuseum