Mary Kelly
Mary Kelly wurde 1941 in Fort Dodge, Iowa, USA, geboren. Nach einer ersten Ausbildung am College of Saint Teresa, einem katholischen Frauencollege in Winona, MN, in den USA, wo sie 1963 einen Bachelor of Arts (BA) erwarb, setzte sie ihre Studien in Kunst und Kunstgeschichte am Institut Pius XII. in Florenz, Italien, fort, wo sie 1965 einen Master of Arts (MA) erhielt. Anschließend unterrichtete sie Kunst in Beirut, Libanon. Ab 1968 studierte sie Malerei an der St. Martin's School of Art in London, wo sie 1970 ihren Abschluss machte. In der Folge arbeitete sie als Künstlerin, Kuratorin und Publizistin und setzte ihre Lehrtätigkeit fort. 1989 zog sie nach New York City, wo sie bis 1996 für das Whitney Museum's Independent Study Program unterrichtete. Ihre erste Einzelausstellung fand 1976 im Institute of Contemporary Arts in London statt. Neben ihren zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen, darunter die Whitney Biennale 2004, die Sydney Biennale 2008 und die Documenta 12 im Jahr 2007, hatte sie mehrere Retrospektiven: 2008 im Center for Contemporary Art, Warschau; 2010 im Moderna Museet, Stockholm; und 2011 in der Whitworth Art Gallery, Manchester. Zu ihren wichtigsten Publikationen gehören Post-Partum Document (1983), Imaging Desire (1996), Rereading Post-Partum Document (1999) und Dialogue (2011). Im Jahr 2015 erhielt sie ein Stipendium der John Simon Guggenheim Memorial Foundation. Mary Kelly ist Judge Widney Professorin an der Roski School of Art and Design an der University of Southern California (UCLA) in Los Angeles.
In zwei frühen Projekten, dem Film "Nightcleaners" (1975) und der Ausstellung "Women and Work" (1973-75; mit Margaret Harrison und Kay Hunt), beschäftigte sich Kelly mit der Dokumentiation der Arbeitsbedingungen von Frauen und den Veränderungen der Arbeitsprozesse während der Einführung des „Equal Pay Act“ [Gesetz für gleiche Entlohnung]. Das 1973 begonnene sechsjährige Projekt "Post-Partum Dokument" (1973-78) thematisiert die Sozialisation und die Inter-Subjektivität in den ersten Lebensjahren. Beeinflusst von der Psychoanalyse Lacans sprechen die sieben einzelnen Sektionen erstmals in der Kunstgeschichte die Mutter-Kind-Beziehung aus einer feministischen Sicht an. Seit seiner skandalumwitterten Erstpräsentation in den 1970er Jahren wurde "Post-Partum Dokument" oftmals ausgestellt und gelangte in Sammlungen in den USA, Kanada, Australien, der Schweiz, Großbritannien und schließlich auch nach Österreich. 1998 fand die erste Gesamtpräsentation aller Sektionen von "Post-Partum Dokument" in der Generali Foundation in Wien statt. Die von der Generali Foundation betriebene Wiederauflage des vergriffenen Buches "Post-Partum Dokument" machte eine erneute Beschäftigung mit diesem außergewöhnlichen Werk möglich. Als fotografische Ergänzung fangen "Primapara, Maniküre/Pediküre Serie" und "Badeserie" (1974) Blick- und Körperkontakt zwischen Mutter und Kleinkind ein und spiegeln so ihre komplexe wechselseitige Beziehung wider.
Mary Kellys Thematisierung des Begehrens und Identität in Arbeiten wie "Interim" (1984-89) setzte neue Maßstäbe, wie Künstlerinnen über sich selbst und ihre Beziehung zu Anderen nachdenken. Kellys Arbeiten rücken die Hinterfragung des Persönlichen ins Zentrum und erweitern damit die Parameter der Konzeptualisierung, welche die eigene Sexualität, ökonomische Bedingung, Herkunft und Geschichte der Künstlerin inkludieren. (Hemma Schmutz)