Peter Weibel
Peter Weibel wurde 1944 in Odessa, Ukraine, geboren. Multitalentiert studierte er Literatur, Philosophie, Film und Komparistik, 1964 kurz Medizin, dann Mathematik und Logik in Paris und Wien ohne Abschluss. 1978 gründete er mit Loys Egg die Band „Hotel Morphila Orchester“. Im Jahr 1986 wurde Peter Weibel künstlerischer Berater der Ars Electronica und von 1992 bis 1995 ihr künstlerischer Leiter. Von 1992 bis 2011 war er Chefkurator der Neuen Galerie in Graz. Er kuratierte international zahlreiche Ausstellungen, darunter von 1993 bis 1999 den österreichischen Pavillon für die Biennale in Venedig, 2008 die Internationale Biennale von Sevilla und 2011 die 4. Biennale von Moskau. Er war Autor von wegweisenden medientheoretischen und philosophischen Texten zur zeitgenössischen Kunst und Herausgeber vieler Publikationen.
Ab 1976 unterrichtete er an mehreren internationalen Hochschulen, unter anderem am College of Art and Design in Halifax, Kanada, und an der Gesamthochschule Kassel. Von 1984 bis 1988 lehrte er als Associate Professor für Video und Digital Arts am Center for Media Study der State University of New York in Buffalo, N. Y., wo er das Digital Arts Laboratory gründete. Von 1984 bis 2017 war er Professor für visuelle Mediengestaltung an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Von 1989 bis 1994 war er Direktor an der Städelschule in Frankfurt am Main, wo er mit dem Aufbau des "Instituts für Neue Medien" betraut wurde. Von 2009 bis 2012 hatte er eine Gastprofessur an der University of New South Wales, Sydney, Australien inne. Von 2018 bis 2019 lehrte er an der Kunstakademie Düsseldorf. Von 1999 bis 2023 war Prof. Dr. h.c. mult. Peter Weibel künstlerisch-wissenschaftlicher Leiter des ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) und von 2017 bis zu seinem Ableben Leiter des "Peter Weibel - Forschungsinstitut für digitale Kulturen" an der Universität für angewandte Kunst Wien. Neben einer großen Zahl von weiteren Preisen, Ehrungen und Auszeichnungen, erhielt er 1974 den Filmpreis der Stadt Berlin, 1984 den Prix National des 31. Festival für TV und Film, Cannes, 1991 den Skulpturenpreis der EA-Generali Foundation, Wien, 1992 den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst, 1997 den Siemens Medienkunstpreis, 2002 das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 2004 den Käthe-Kollwitz-Preis, 2010 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 2014 den Oskar-Kokoschka-Preis für sein künstlerisches Gesamtwerk und 2017 den Österreichischen Kunstpreis für Medienkunst und 2021 zuletzt den Trebbia-Preis. Peter Weibel verstarb 2023 in Karlsruhe.
Weibel prägte gegen Ende der 1960er Jahre den Begriff des "Expanded Cinema". Gemeinsam mit KünstlerInnen wie VALIE EXPORT und Ernst Schmidt jr. versuchte er, das Medium Film und seinen Zeichencharakter mit Hilfe von aktionistischen Elementen zu dekonstruieren. Seinen Film "welcome" (1964-66) ließ er sich auf Brust und Rücken projizieren, beim "expanded movie" "nivea" (1967) dienten das reale Objekt und sein schattenhaftes Abbild der Offenlegung der filmischen Apparatur. In dieser Zeit realisierte er auch seine "Action-Lectures", performative Umsetzungen seiner Theorien. Die Analyse und Aufdeckung von sprachimmanenten Machtmechanismen und zu Grunde liegenden Ideologien, besonders in von Medien vermittelten Informationen, verfolgte Weibel in seinen theoretischen Texten wie in seiner künstlerischen Arbeit.
Gegen Ende der 1960er Jahre integrierte er verstärkt gekoppelte und vernetzte Kommunikationsapparate in seine "Action-Lectures", um sich in weiterer Folge den Massenmedien Fernsehen und Video zu widmen, die durch ihren prozessorientierten Charakter und veränderte raum-zeitliche Rezeptionsbedingungen für ihn durchaus kritisch-aufklärerisches Potential besaßen. In dieser Zeit entstanden, in Kooperation mit Fernsehanstalten, die "Tele-Aktionen" wie auch Weibels Closed Circuit Installationen, etwa "Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit" (1973), eine komplexe Auseinandersetzung mit mediatisierten Identitätsfindungsprozessen und medialer Überwachung. Interaktivität und Virtualität, durch elektronische Medien veränderte Bildformen und deren utopisches Potential im Bezug auf unsere Wahrnehmung stehen auch im Mittelpunkt seiner jüngeren Multimediaarbeiten. (Claudia Slanar)