Peter Tscherkassky
Peter Tscherkassky, 1958 in Wien geboren, studierte von 1977–79 Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität Wien. 1978 kam er durch eine Vortragsserie von P. Adams Sitney im Österreichischen Filmmuseum erstmals mit avantgardistischem Filmschaffen in Berührung. Ab 1979 begann Tscherkassky ein Philosophiestudium u.a. in Berlin, das er 1986 abschloss. In Berlin begann er selbst Filme zu drehen und lernte 1981 die österreichischen Avantgardefilmer_innen Lisl Ponger, Dietmar Brehm und Ernst Schmidt Jr. kennen. Er ist Gründungsmitglied der „Austrian Filmmakers Cooperative“ und der „UFVA – Unabhängiger Film & Video Austria“. Seit 1984 ist er auch als Kurator tätig, wobei er sich besonders der Vermittlung des österreichischen Avantgardefilmschaffens widmet. Tscherkassky hatte Lehraufträge an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz und an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 1993-94 war er künstlerischer Leiter der Diagonale, dem österreichischen Filmfestival in Graz.
Tscherkasskys Filme haben auch international große Beachtung gefunden, er wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt u.a. 2010 mit dem Orizzonti-Kurzfilmpreis der 67. Filmfestspiele in Venedig. 2012 veröffentlichte er Film Unframed. A History of Austrian Avant-Garde Cinema, ein erstes umfassendes Kompendium zur der Geschichte der österreichischen Filmavantgarde.
Charakteristisch für Peter Tscherkasskys künstlerisches Schaffen ist die Herstellung von Filmen ohne Kamera, mittels der Arbeit an gefundenem Filmmaterial, dem so genannten „Found Footage“. Dieses entnimmt er Hollywoodproduktionen, privaten Amateurfilmen, oder auch dem Material aus der Frühzeit des Kinos, beispielsweise der Brüder Lumière. In der Dunkelkammer gestaltet Tscherkassky jeden einzelnen Kader des Filmstreifens. Er manipuliert das filmische Material durch Kontaktkopieren und isoliert in einer aufwendigen Belichtungstechnik mithilfe von Taschenlampen und Laserpointern Raumansichten, Darsteller und Objekte. Die Fragmente fügt er zu neuen Erzählungen zusammen. Dieser handwerkliche Prozess – den der Künstler „Manufraktur“ nennt – produziert Spuren wie Kratzer und Unschärfen, und lässt derart das filmische Material selbst hervortreten. Tscherkasskys Werk macht einerseits den physischen Unterbau des kinematografischen Illusionsraums fassbar, zerlegt Film aus kritischer Perspektive, andererseits erscheint es als Feier des analogen Materials und dessen spezifischer Möglichkeiten in einer Zeit überwiegend digitaler Bildproduktion. In den Bereich reflexiver Arbeit fallen Tscherkasskys in Auseinandersetzung mit psychoanalytischer Theorie unternommene Untersuchungen über das Kino als Blick- und Machtapparat, über die libidinöse Beziehung zwischen Kamera, Leinwand und Betrachter_innen. Gerade sein jüngeres filmisches Werk lässt die Lust am Überwältigungspotential der Kinomaschine verspüren. Angesichts von Tscherkasskys beständiger filmischer Arbeit über das Medium selbst kann man von einem Œuvre aus „Metafilmen“ sprechen.
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