Aus der Serie "Seminars/Lectures (S/L)"

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© Rainer Ganahl und Generali Foundation

Rainer Ganahl

Aus der Serie "Seminars/Lectures (S/L)", 1995-97

12 Farbfotografien, 8 Wandschilder mit Bildunterschriften à 49 x 59 cm, gerahmt à 52 x 62 cm

WG0030274.00.0-1997

Werktext

Seminars/Lectures (S/L) S/L ist ein Langzeitprojekt, das sich seit 1995 die Aufgabe gestellt hat, zuerst eine Art ”Repräsentation von Intellektuellen” darzustellen. Ich versuche, mir interessant erscheinende Vortragende und Unterrichtende in ihrem natürlichen Umfeld, den Seminar- und Vortragsräumen, zu besuchen und zu fotografieren. Ich erwarte mir, dass diese visuelle Recherche ein soziologisch interessantes Bildarchiv in Bezug auf die SprecherInnen, ihr meist studentisches Publikum und die Erinnerung an die Veranstaltungen selbst abgibt. Die einzelnen Fotografien individualisieren sich jeweils mit einem Titel, der aus der Benennung des/r Sprecher/s/in, der Veranstaltung, der Institution, des Orts und der Zeit besteht. Wie an anderer Stelle ebenfalls angedeutet, handelt es sich in dieser Fotoserie meistens um privilegierte Institutionen, wo der Zugang zum Wissen und dessen Umfeld wenn nicht direkt an extravagant hohe Studiengebühren – 12.000 bis 20.000 US Dollar/Studienjahr – gebunden ist, so doch indirekt begrenzt wird: Matura, sprachliche und theoretische Kompetenzen, Aufnahmsprüfungen, um nur einige zu nennen. Privilegien, Wissen und Macht stehen überall Machtlosigkeit und struktureller Diskrimierung gegenüber, die mit den sozialen, ethnischen und geschlechtsspezifischen Abgrenzungen verlaufen. Diese Ungerechtigkeiten spiegeln sich vor allem auch in diesen Institutionen wider, obwohl die von mir besuchten Vorträge meistens alternative und kritische Gesellschafts- und Analysemodelle entwickeln. Widersprüche aber zeichnen nicht nur diese sachlichen Verhältnisse aus, sondern stecken auch in der Abbildungsökologie selbst. Wie verhalten sich diese Bilder zum Wissen und zu dem, wofür Wissen stehen sollte? Was heißt es, wenn auch noch der akademische Bereich Gefahr läuft, von der Show-, Star- und Spektakelkulturindustrie vereinnahmt und scheinbar konsumfähig – eine neue lingua franca – gemacht zu werden? Diese Fragen lassen sich am besten in jene Symptome übersetzen, an denen selbst die akademische Sphäre zu leiden beginnt, erliegt auch sie immer mehr dem Trend, in der Art der so genannten Corporate Culture und ihren PR-Konkurrenzverhältnissen zu denken. In den privaten Eliteuniversitäten der USA und Japans wirbt man bereits schon um prominente Akademiker mit Gagen wie um Sportsstars, werden ”Einschaltsquoten”, ”Medienpräsenz”, handliche ”reader” der feinen Herausgeber, Theorietourismus bis hin zur inszenierten, theatralischen Vortrag-Performance immer wichtiger. Auch in Europa, mit den Kunstakademien voran, werden diese Tendenzen immer spürbarer. Der Habitus und Umgang mit Wissen oder was dafür sich jeweils einsetzen lässt, verändert sich, wie auch die verhandelten Inhalte selbst. In diesen Prozess einzugreifen, ihn, wenn auch nicht mit unschuldigen Mitteln – Fotografie, Ausstellung, der Liste der Abgebildeten, usw. – zu problematisieren, interessiert mich in dem Maße, wie ich selbst diesen Phänomenen kritisch gegenüberstehe. (Rainer Ganahl)