Gerhard Rühm
Gerhard Rühm wurde 1930 in Wien, Österreich, geboren. Er studierte Klavier und Komposition an der Universität (damals Staatsakademie) für Musik und darstellende Kunst in Wien, dann privat Zwölftonkomposition bei Josef Matthias Hauer. Im Jahr 1952 reiste er in den Libanon und beschäftigte sich mit orientalischer Musik. Rühm ist Mitbegründer der Wiener Gruppe (mit Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener). Von 1972 bis 1996 hatte er eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg inne. Von 1978 bis 1982 war er Präsident der Grazer Autorenversammlung. Sein Werk wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt. Er erhielt 1976 den Österreichischen Anerkennungspreis für Literatur, 1984 den Literaturpreis der Stadt Wien, 1991 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur, 1991 das Ehrenzeichen der Bundeshauptstadt Wien, 2007 den Alice-Salomon-Poetik-Preis, 2007 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, 2010 die Ehrendoktorwürde der Universität Köln, 2013 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2014 den Preis der Stadt Wien für bildende Kunst und 2015 den Karl-Sczuka-Preis. Seit 1978 ist er Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. Gerhard Rühm lebt in Köln.
Mit Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener gründete Rühm die "Wiener Gruppe" (1954-64), deren radikale Sprachexperimente zu den wichtigsten literarischen Entwicklungen der Nachkriegszeit zählen. Die Gruppe veranstaltete um 1958 erste Happenings und Aktionen in Österreich, die maßgeblich zur Entstehung des Aktionismus beitrugen. Die Radikalität der Gruppe zog auch Schwierigkeiten mit Verlegern und mit der Staatsgewalt nach sich.
1964 zog Rühm nach Deutschland, wo er von 1972 bis 1995 Freie Grafik und Künstlerischen Grenzbereich an der Kunsthochschule Hamburg lehrte. Gerhard Rühms Werke waren in zahlreichen Retrospektiven zu sehen, darunter am Museum Moderner Kunst, Wien, 1981. Rühm war auch auf der Documenta 6 und der Documenta 8 in Kassel vertreten. Sein Werk wurde 1991 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst gewürdigt. Ausstellungen der "Wiener Gruppe" fanden 1997 an der Biennale Venedig und 1998 in der Kunsthalle Wien statt.
Schon in seinen ersten "lautgedichten" in den 1950er Jahren arbeitete Rühm am Grenzbereich der Kunstdisziplinen. Er bezeichnete sein Schaffen als "intermediale Arbeit" und entwickelte seine Dichtung in Richtung bildender Kunst sowie ins Musikalische. Rühm konzentriert sich thematisch insbesondere auf Sexualität und Erotik. "Bildbeschreibungen" (1954) stellen einen visuellen Dialog von Bild und Text dar, die sich in ihrer Verwendung gefundenen Bildmaterials mit dem Konzept der visuellen Assoziation in der poetischen Montage befassen. In den "Typocollagen" zwischen 1955 und 1963, die Buchstaben und Worte aus Zeitungen neu kombinieren, transformierte er in einer gleichsam visuell wie konzeptuell gefassten Geste diese grafischen Elemente in musikalische, poetische Ordnungen. Durch Übermalungen gestaltete Rühm u. a. in "l’essentiel de la grammaire" (1962) die deutsche Grammatik zum Gedicht um. (Monika Vykoukal)