Simone Forti
Simone Forti wurde 1935 in Florenz (IT) geboren und ist als Malerin, Tänzerin, Choreografin und Schriftstellerin eine facettenreiche Künstlerin. 1938 flüchtete ihre Familie vor dem Faschismus in die USA und ließ sich in Los Angeles nieder. Ab 1953 begann Forti zunächst eine Ausbildung in expressionistischer Malerei am Reed College in Portland. 1955 heiratete sie Robert Morris, einen Wegbereiter der Minimal Art, zog mit ihm 1956 nach San Francisco und war in Anna Halprins Dancer’s Workshop aktiv. Ab 1959 setzte sie ihre Studien in New York fort, unter anderem bei Martha Graham und Merce Cunningham, den legendären Wegbereiter_innen des Modern Dance. Bei der Entwicklung ihres eigenen Stils des postmodernen Tanzes stand sie in engem Austausch mit Trisha Brown, Yvonne Rainer und Steve Paxton. Ab 1960 experimentierte sie mit Musik, unter anderem bei Robert Dunn, Schüler von John Cage und Lehrer für Tanzkomposition. Zusammen mit Dunn, Yvonne Rainer, Steve Paxton, Deborah Hay und anderen war Forti 1962 an der Gründung des legendären Judson Dance Theater beteiligt, eines Kollektivs von Tänzer_innen, Komponisten und bildenden Künstlern, die experimentelles, grenzüberschreitendes Zusammenarbeiten forcierten. Enger künstlerischer Kontakt und Arbeiten mit La Monte Young, Richard Maxfield, Charlemagne Palestine, Peter Van Riper, Terry Riley und Yoko Ono folgten. 1962, nach der Scheidung von Robert Morris, heiratete sie Robert Whitman, der innovative Theaterstücke schrieb und in der Performance- und Happeningbewegung aktiv war. Simone Forti wurde zu einer zentralen Figur des postmodernen Tanzes, den sie durch einfache Bewegungen um eine minimalistische Facette und um prozessbasierte Choreografien bereicherte. Sie war außerhalb der USA international als Lehrerin tätig. Die Künstlerin erhielt etliche Auszeichnungen, darunter 1995 den Bessie Award und 2006 ein Guggenheim Fellowship. Das Museum der Moderne Salzburg widmete Simone Forti 2014 eine umfassende Retrospektive, die von einem Katalog begleitet wurde. Sie lebt und arbeitet in Los Angeles (CA, US).
Simone Fortis Schaffen deckt seit den 1960er-Jahren ein breites Spektrum ab: Zeichnungen, Objekte, Installationen, Videos und Dokumentationen ihrer Live-Performances. Die Körpererfahrung, die sie im Dancer’s Workshop von Anna Halprin machte und als ähnlich zu ihrer expressionistischen Malerei erlebte, löste ihre Begeisterung für den Tanz als ganzheitliche Ausdrucksform aus. Als Tänzerin und Choreografin ersetzte sie die klassische Tanztechnik, deren formale Ästhetik auf der Perfektion von Körperbeherrschung gründet, durch die Natürlichkeit alltäglicher Bewegungen. Die von Forti favorisierten Bewegungsabläufe bestechen durch Einfachheit. Individuelle Spontaneität, Experiment und Improvisation führten sie zu einer neuen, intensiven Qualität des Tanzes. Erstmals ließ sie Robert Morris und Yvonne Rainer 1960 in der Reuben Gallery in New York ihre Stücke Rollers und See-Saw aufführen. Ihr bekanntes Stück Huddle, das Forti als „ein Objekt, das nicht im Sinne eines festen Körpers besteht, aber jederzeit wiederhergestellt werden kann“ bezeichnet, ist ein Hybrid zwischen Mensch und Plastik. Es wurde zu einem Wegbereiter für die Performancekunst: Eine Gruppe von Akteur_innen bildet eine enge Kreisformation und ermöglicht einzelnen Personen, anderen abwechselnd auf die Schultern zu klettern – ein Vorgang, der nur durch das Überschreiten der Körpergrenzen und mit gebündelter Kraftanstrengung gelingt. Jede Verwirklichung von Huddle ist einmalig und flüchtig. Das Erlebnis der Partizipation schreibt sich als individuelle Erinnerung in den Körpern ein. Zu Fortis bekanntesten Werken zählen die in New York uraufgeführten Dance Constructions (1960/61): Interaktionen mit alltäglichen Gegenständen und Materialien, bei denen sich die Tänzer_innen ganz auf ihre natürlichen Körperbewegungen konzentrierten, die wegen ihrer Bedeutungslosigkeit schockierten, weil jede Metapher fehlte. Ende der 1960er-Jahre ließ sich Forti von der Motorik wilder Zootiere zu Performances inspirieren. Hologramme, die sie in Werke einbaut, bestätigen den ganzheitlichen Anspruch der Künstlerin. Das technische Verfahren der Holografie erzeugt dreidimensionale, ganze (ὅλος holos: ganz) Abbildungen von Gegenständen und erzeugt den Eindruck, als ob diese frei im Raum schweben. Fortis Auseinandersetzung mit Musik, Klang, Gesang und (in ihren jüngsten Performances, den News Animations) Sprache steht für eine körperlich reflektierte Erweiterung der Wahrnehmung und die Erschließung zusätzlicher Erfahrungsfelder. Mit ihren Untersuchungen leistet Simone Forti einen wichtigen Beitrag zur Verschränkung von Tanz, Objekt, Plastik und Performancekunst.
Die Sammlung Generali Foundation besitzt eine repräsentative Werkgruppe von Simone Forti, bestehend aus Blättern der Serien Illuminations „Arrow“ Drawings, Illuminations Drawings „Circle“ und Red Illuminations Drawings, die alle aus dem Jahr 1972 stammen. Hinzu kommen die mit einem Hologramm ausgestattete Installation Huddle (1976) und Videos von Performances, darunter eine Version von Huddle. Mit Dan Graham, einem zentralen Künstler der Sammlung, arbeitete Simone Forti an seiner Filminstallation Helix/Spiral (1973) zusammen, die sich ebenfalls im Besitz der Generali Foundation befindet. (Doris Leutgeb)