The Content of Form
Die Sammlung, repräsentiert durch Helmut Draxler.
Kurator: Helmut Draxler
Ausstellungsproduktion: Ilse Lafer, Kuratorin Generali Foundation
Drei internationale Kurator:innen – Guillaume Désanges, Helmut Draxler und Gertrud Sandqvist – wurden zum 25-jährigen Bestehen der Generali Foundation eingeladen, aus ihrer spezifischen Sicht die Sammlung, die Institutions- und Ausstellungspolitik der Generali Foundation und damit ihre Art, Geschichte anhand institutioneller Arbeit zu schreiben, in äußerst unterschiedlichen Präsentationsformen zu reflektieren. Die verschiedenen Perspektiven, die die Kurator:innen beleuchteten, ihre Fragen zu den Definitionen der sogenannten Konzeptkunst oder – weiter gefasst – Kunst konzeptueller Ausrichtung, zum Sammeln und zum Kuratieren derselben sowie Überlegungen zum Verhältnis von konzeptuellen, auch historischen Strategien des Displays zu den Werken bildeten den Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen und Vorträge des Jubiläumsjahres.
Hatte Guillaume Désanges sein Augenmerk auf die „Pionierphase“ der Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre gelegt und diese in ein Display gesetzt, das auf didaktische Formen des Ausstellens etwa kulturwissenschaftlicher Ausstellungen rekurriert, konzentrierte sich Helmut Draxler auf die komplexen Zusammenhänge zwischen den Prinzipien des Sammelns und Ausstellens.
Sammeln und Ausstellen: eine wechselseitige Beziehung
Sammlungen bewegen sich ständig zwischen dem Anhäufen und dem Anordnen von Gegenständen, zwischen ihrer Aufbewahrung und Zurschaustellung. Dabei entwickeln sie ihre eigenen Codes und ein historisches Denken, das unmittelbar mit dem Selbstverständnis der Moderne zwischen Wissen und Ordnung, Beeindruckung und Macht, Akkumulation und Verschwendung verbunden ist. Längst ist die Sammlung selbst zum Gegenstand einer Debatte geworden, in der es vor allem um ihre räumlichen Anordnungsweisen und ihre zeitlichen Abfolgen geht. Die räumlichen Anordnungsweisen „repräsentieren“ eine Ordnung aus Wissen, Kapital und Macht, die zeitlichen Abfolgen bringen ein genealogisches oder evolutionäres Prinzip hervor, das dieser Ordnung Vergangenheit und Zukunft verleiht.
Die Ausstellung The Content of Form wollte diese Codes der räumlichen und zeitlichen Anordnungsweisen als grundlegende Momente des Denkens der Moderne aufzeigen. Sie verstand sich dementsprechend nicht als reine Auswahl aus der Sammlung der Generali Foundation, sondern als ein kuratorisch-diskursives Projekt über die Sammlung als Prinzip. Entlang der drei Grundbegriffe „Repräsentation“, „Konversation“ und „Genealogie“, die in Form von Ausschnitten aus historischen Gemälden modellhaft in der Ausstellung platziert waren, wurde ein Wanddesign mit Ausstellungsfotos aus der Geschichte der Generali Foundation, Farben und Texten entwickelt, auf das sich die ausgewählten Werke bezogen. Damit wurden die Werke stets bestimmten diskursiven und institutionellen Kontexten zugeordnet. Sie ließen sich umgekehrt jedoch auch selbst als besondere Artikulationsweisen lesen, in deren formaler Organisation immer schon die „Logik der Sammlung“ (Boris Groys) durchscheint. Vor diesem Hintergrund stellten Sammeln und Ausstellen nicht mehr äußerliche Aspekte der Werke dar; sie strukturierten vielmehr die Werke ebenso von innen her. Werke, Ausstellungen und Sammlungen wurden derart als wechselseitig aufeinander bezogene Modalitäten symbolischer Produktion sichtbar gemacht.
Die Fragilität der Sammlung
The Content of Form verlieh den einzelnen Arbeiten eine Anmutung des Repräsentativen und machte gleichzeitig das Kontingente, Marginale und Exklusive der Sammlung spürbar – indem etwa Ausstellungsfotos mit einer Reihe von Werken gezeigt wurden, die nicht in die Sammlung der Generali Foundation aufgenommen worden sind. Auch in ihren formalen Entscheidungen bezog sich die Ausstellung eher kontrapunktisch auf die stark durch modernistische Verfahren geprägte bisherige Ästhetik der Generali Foundation, mit dem Ziel, das Fragile aller Entscheidungen zwischen Historisierung und Aktualisierung, Kanonisierung und Marginalisierung, Universalisierung und Lokalisierung herauszuarbeiten.
Der konkrete Ausstellungsraum verband darüber hinaus die Sammlung über Monitore mit dem Kunstdepot, der Konzernleitung und dem öffentlichen Raum. Die Spannungen zwischen diesen vielfältigen Elementen, zwischen dem Wanddesign aus Texten und Fotografien, den Monitoren und den Werken sollte vielschichtige Zuordnungen erlauben und damit didaktisch nicht auflösbare Spielräume der Erfahrung bieten, um die imaginären „Codes“ der Sammlung auf die konkreten institutionellen und ortsbezogenen Dynamiken anwenden zu können.
(Werke von Künstler:innen der Sammlung, fett): Fareed Armaly, Judith Barry, Lothar Baumgarten, Ernst Caramelle, Lygia Clark, Luis Camnitzer, Alice Creischer/Andreas Siekmann, Danica Dakić, Thomas Eggerer, Harun Farocki, Morgan Fisher, Gérard Fromanger, Rainer Ganahl, Isa Genzken, Dan Graham, Sanja Iveković, Brigitte Kowanz/Franz Graf, Simon Leung, Dorit Margreiter, Marta Minujín, Ree Morton, Antoni Muntadas, Oswald Oberhuber, Hélio Oiticica, Willem Oorebeek, Anna Oppermann, Muki Pakesch, Walter Pichler, Mathias Poledna, Florian Pumhösl, Gerwald Rockenschaub, Martha Rosler, Gerhard Rühm, Thomas Stimm, Andrea van der Straeten, Apolonija Šušteršič, Rini Tandon, Ian Wallace, Franz West, Stephen Willats, WGBH-TV, Heimo Zobernig.
Helmut Draxler ist Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker und lebt in Berlin. Von 1992 bis 1995 war er Direktor des Kunstvereins in München, von 1999 bis 2012 Professor für Ästhetische Theorie an der Merz Akademie. Hochschule für Gestaltung in Stuttgart. Von 1992 bis 1994 war Helmut Draxler im künstlerischen Beirat der Generali Foundation tätig. Zwischen 2004 und 2006 war er am Forschungsprojekt „Film und Biopolitik“ an der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht beteiligt (gemeinsam mit Sabeth Buchmann und Stephan Geene). 2013-2014 war er Professor für Kunsttheorie und Kunstvermittlung an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Helmut Draxler ist Professor für Kunsttheorie an der Universität für angewandte Kunst Wien. Forschungsschwerpunkte sind eine Theorie der Vermittlung sowie das Denken von Geschichte in den Historiographien moderner und zeitgenössischer Kunst. Außerdem kuratierte Helmut Draxler Ausstellungen, z.B. Shandyismus. Autorschaft als Genre in der Wiener Secession 2007. Er publiziert regelmäßig zu Theorie und Praxis der Gegenwartskunst, u. a. Gefährliche Substanzen. Zum Verhältnis von Kritik und Kunst, Berlin (b-books) 2007; Die Gewalt des Zusammenhangs. Raum, Referenz und Repräsentation bei Fareed Armaly, Berlin (b-books) 2007; Film, Avantgarde, Biopolitik, gemeinsam mit Sabeth Buchmann und Stephan Geene, Wien (Schlebrügge Editor) 2009, Theorien der Passivität (herausgegeben mit Kathrin Busch), 2013.