Exil des Imaginären
Politik Ästhetik Liebe
Gastkuratorin: Juli Carson
Kuratorische Assistenz, Ausstellungsproduktion: Georgia Holz
Werke von Andrea Geyer, Ken Gonzales-Day, Sharon Hayes, Adrià Julià, LTTR, Dorit Margreiter, Stephanie Taylor, Kerry Tribe, Bruce Yonemoto, Dolores Zinny/Juan Maidagan.
Kann Liebe in politisch turbulenten Zeiten als kritisches Medium fungieren? Diese Frage machte die US-amerikanische Kunsthistorikerin Juli Carson zum Thema der Ausstellung "Exil des Imaginären". Die theoretische Basis hierfür bildete das Buch "Fragmente einer Sprache der Liebe" (1977) des französischen Philosophen Roland Barthes, dem auch der Titel der Ausstellung entlehnt ist. Er konfrontiert uns darin mit einer Montage aus eigenen Texten und Texten der Weltliteratur über den Diskurs der Liebe. In ihrer Ordnung folgen die „Bruchstücke“ dem Alphabet, wurden ansonsten aber subjektiv ausgewählt. Der Autor selbst stellt dieses Buch als „Porträt“ eines Liebenden vor, das kein psychologisches, sondern ein strukturales sein soll. Folglich ist der Kritiker Analytiker und Gegenstand der Analyse in einer Person. Diese Gleichzeitigkeit von (quasi) wissenschaftlicher Vorgehensweise und Subjektivität als Mittel zur analytischen Kritik wurde von Juli Carson in einer eigens dieser Thematik gewidmeten Ausstellung reflektiert, und zwar am Beispiel von Werken einer jüngeren Generation von Künstler:innen, die sich durch konzeptuelle Praktiken auszeichnen.
Was also würde es bedeuten, Barthes’ Überlegungen zur „Liebe“ mit Konzeptualismus als Medium einer umfassenderen kulturellen/ästhetischen Kritik zu verbinden? Vielleicht würde dadurch ein Typus des „Konzeptuellen Unbewussten“ begründet werden, ein kritischer psychoanalytischer Schauplatz zeitgenössischer Kunstproduktion. Genau mit dieser Praxis, die "Exil des Imaginären" vorstellt und analysiert, beschäftigten sich die Künstler:innen der Ausstellung. In jedem Projekt diente die Frage des Begehrens als Vehikel für die eigentliche Thematik: ein paradigmatisches kulturelles Ereignis. Jede/r Künstler:in wurde zum/zur Analytiker:in und entwickelt eine eigene allegorische Herangehensweise, um Kunst als kritische Vermittlerin für soziale Umbrüche zu hinterfragen. Die dialektische Trennung von „politischen“ und „lyrischen“ Genres wurde somit aufgehoben.
In der Nachfolge Roland Barthes’ näherten sich die Künstler:innen ihrem Gegenstand auf poetische und surrealistische Weise, um zu kritischen Aussagen über das Verhältnis von Kunst und Politik zu ihrer Zeit zu gelangen. Dabei setzten sie sich mit den Methoden des Konzeptualismus auseinander, ohne sich dessen rationalistischen und analytischen Behauptungen anzuschließen. Aus dieser Perspektive wurden so verschiedene Themen wie Wahlkampfpolitik, Immigration, der Vietnamkrieg, Rassismus und aktuelle politische Tendenzen in den Vereinigten Staaten, kulturelle Transformation und Institutionskritik aufgegriffen und in ebenso mannigfaltigen Medien – Skulptur, Performance, Gesang, Film, Video und Fotografie – präsentiert.
Die Generali Foundation eröffnete das Ausstellungsjahr traditionell mit einer von Gastkurator:innen konzipierten Themenausstellung. Juli Carson ist Kunsthistorikerin, Kunstkritikerin und Kuratorin und lehrt am Department of Art der University of California, Irvine, wo sie auch die University Art Gallery leitet. Seit 2004 ist sie Mitherausgeberin der Kunstzeitschrift "artUS", ihre Texte sind in "Art Journal", "Texte zur Kunst", "Documents" und "October" erschienen. Für die Generali Foundation kuratierte Carson bereits 1998 die Archivsektion der Ausstellung "Mary Kelly. Post-Partum Dokument“.