Einblicke in die Sammlung
Kuratorin: Sabine Breiwieser
Kuratorische Assistenz, Ausstellungsproduktion: Nadja Wiesener
In dieser Ausstellung mit Werken aus der internationalen Sammlung der Generali Foundation war ein repräsentativer Überblick über die Ankäufe der letzten Jahre zu sehen. Die Sammeltätigkeit der Generali Foundation erfolgt im Dialog mit den Ausstellungen. Einige der Werke in der Sammlungspräsentation waren daher aus vorhergehenden Ausstellungen bekannt und wurden im Kontext der Sammlung in Erinnerung gerufen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der gezeigten Werke war in Wien zum ersten Mal zu sehen.
Die Ausstellung war nach thematischen Gesichtspunkten aufgebaut und lebte von den Bezügen, die zwischen den unterschiedlichen Werken hergestellt wurden. Den Schwerpunkt bildeten konzeptuelle und performative Aspekte, der Bereich des Crossovers zu Architektur und Design sowie künstlerische Positionen, welche die Rolle der Medien und gesellschaftliche Parameter kritisch hinterfragen. Aufgrund der umfangreichen Videosammlung und des in die Sammlung konzeptuell integrierten Archivs nahm der Studienraum (heute: Generali Foundation Studienzentrum), in dem diese Bereiche zugänglich waren, bei dieser Ausstellung einen besonderen Stellenwert ein.
Gezeigt wurden Werke von durchwegs international renommierter Künstler:innen wie Gottfried Bechtold, Carola Dertnig, VALIE EXPORT, Andrea Fraser, Rainer Ganahl, Isa Genzken, Bruno Gironcoli, Dan Graham, Hans Hollein, Mary Kelly, Dorit Margreiter, Gordon Matta-Clark, Walter Pichler, Mathias Poledna, Martha Rosler, Gerhard Rühm, Franz West und Heimo Zobernig. Viele davon sind mit größeren Werkgruppen als Schwerpunkte in der Sammlung vertreten.
Performative Aspekte der Skulptur bzw. die Thematik Körper/Architektur/medialer und sozialer Raum wurden in der Ausstellung von einer Gruppe zentraler Werke der österreichischen Avantgarde repräsentiert, darunter einige von internationaler Bedeutung. Das "TAPP und TASTKINO" (1968), die legendäre Expanded Cinema Aktion von VALIE EXPORT, war seit kurzem als einzigartige Dokumentation exklusiv im Besitz der Generali Foundation und wurde durch originalgetreue Rekonstruktionen des ersten und zweiten "TAPP und TASTKINO" sowie mittels historischer Texte, Fotografien und einem Video der Aktion in München erstmals ausführlich dokumentiert. Im Kontext der Sammlung wurde ebenfalls erstmals "Das mobile Büro" (1969) von Hans Hollein, ein pneumatischer Raum, der als ein "Im Koffer zu transportierendes Büro" konzipiert ist, präsentiert. Als kleine Auswahl aus der Gruppe der Prototypen von Walter Pichler, die sich in der Sammlung befinden, waren der "TV-Helm" und der "Kleine Raum" (beide 1967), die zwei zentralen und wohl meistzitierten Werke dieser Periode, zu sehen. Von Franz West - ein großer Teil seiner Werkgruppe war in der letzten Sammlungspräsentation ausgestellt worden - wurden die "Studien zu ernster Musik" gezeigt, Videofilme (1986-88), in denen authentisch der Gebrauch der Passstücke demonstriert wird. Eine große Serie von Siebdrucken aus den frühen 1970er Jahren vermittelte den Formenkanon der frühen Skulpturen von Bruno Gironcoli, die wichtigsten davon befinden sich in der Sammlung der Generali Foundation und werden immer wieder ausgestellt.
Dieser Gruppe standen eine Reihe internationaler Positionen gegenüber. Mit einer Auswahl seiner "favourite" Videos, von Architektur über Kunst bis Pop, hat Dan Graham seinen Videoschauraum, "New Design for Showing Videos" (1995) für diese Sammlungsausstellung in einen neuen Zusammenhang gestellt. Eine größere Fotoserie von "Suburban Houses" (1963-85), Grundlage seines legendären Foto-Text-Artikels "Homes for America" (1966/67), ist schon längere Zeit in der Sammlung und wurde nunmehr erstmals in Österreich gezeigt. Ebenfalls als Österreich-Premiere war die sechsteilige Foto-Text-Arbeit "Private Public Spaces: The Corporate Atrium Gardens" (1987) zu sehen, in welcher Graham zusammen mit der Architektin Robin Hurst das Spannungsfeld von Stadt und Natur am Beispiel von in den 1980er Jahren in New York angelegten halböffentlichen Gärten in Firmenlobbies analysiert. Schon vor längerer Zeit wurden Gordon Matta-Clark‘s "Window Blow Out" (1973) sowie "Reality Properties, Fake Estates" (1973) erworben, zwei zentrale Werke, in welchen die sozialkritische Position und konzeptuelle Praxis des Künstlers dokumentiert wird. Beide Werke waren, so wie der Videoraum von Dan Graham, auf der Documenta X (1997) als Leihgabe der Generali Foundation zu sehen und wurden zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Sammlung in unseren Räumlichkeiten gezeigt. Von Isa Genzken wurde die große zweiteilige Skulptur "Bismarckstraße" (1994), zwei Raum hohe Fenster aus Epoxidharz, als kleine Auswahl ihres Sammlungsblocks ausgestellt.
"The Bowery in two inadequate descriptive systems" (1974-76) von Martha Rosler fungierte in der Ausstellung als Bruchstelle bzw. Bindeglied von Architektur, sozialem Raum und Text. Die in der vorhergehenden Rosler-Personale bereits gezeigte Foto-Text Installation wurde von einer großen Gruppe von Typocollagen und Fotomontagen aus den 1950er Jahren von Gerhard Rühm flankiert. Mit Rainer Ganahl wurde Rühm, ein Vertreter der jüngeren Generation, der sich anhand von "Lernen" mit Sprache/Text sowie der Dokumentation dieser Abläufe und des institutionellen Rahmens auseinandersetzt, zur Seite gestellt. Dokumentation in Bild und Text ist auch die künstlerische Praxis von Mary Kelly für ihr legendäres "Post Partum Document" (1973-78), in dem exemplarisch die wechselseitige Sozialisation von Mutter und Kind untersucht wird und das mit Protoypen der Dokumentation I in der Sammlung vertreten ist. Als Ersatz für dieses Werk, das zeitgleich als Leihgabe für eine Ausstellung im Whitney Museum zur Verfügung gestellt worden ist, wurden Protoypen zur Einführung sowie zur Dokumentation II gezeigt. Zu sehen waren auch die Fotografien der "Primapara-Serie" (1974).
In einem Bereich der Ausstellung wurden einige Film-/Videoinstallationen bzw. Filme vorgeführt. So wurden erstmals "Phone", "BB", "Polizei" und "Bundeshymne" (alle 1969) von Gottfried Bechtold, Filme, die auf Positivmaterial gedreht und als "Skulpturen" konzipiert sind, sowie "Splitscreen-Solipsismus" (1968) von EXPORT permanent als Installation gezeigt. Von Matta-Clark war eine Auswahl seiner Filme über die Serie der wichtigsten Gebäudeschnitte zu sehen. Daran anschließend einige Werke, in denen sich eine jüngere Generation von Künstler:innen mit der Thematik Institution/Medien auseinandersetzt. So waren Installationen von Heimo Zobernig, "Into Art" (1998) von Dorit Margreiter und "Fondazione" (1998) von Mathias Poledna zu sehen, die allesamt für Ausstellungen in der Generali Foundation entstanden sind. Als Bindeglied der gesamten Ausstellung fungierte eine mehrteilige Textinstallation von Andrea Fraser, die im Zuge ihres Projektes über die Generali Foundation entwickelt worden ist und ausschließlich in Zusammenhang mit der Sammlung gezeigt werden darf.
Die Generali Foundation hat in den ersten zehn Jahren eine beachtliche Sammlung aufgebaut, die immer wieder über Leihgaben für Ausstellungen auf der ganzen Welt zugänglich gemacht wird. In der Präsentation konnte naturgemäß nur eine kleine Auswahl der bestehenden Sammlungsblöcke gezeigt werden, die sich von den Sammlungsausstellungen der letzten Jahre ("White Cube/Black Box", "Postproduktion") unterscheidet.
Der Aufbau einer internationalen Sammlung mit Schwerpunkt zeitgenössische Skulptur sowie deren wissenschaftliche Bearbeitung und Dokumentation bilden den Kernbereich der Generali Foundation. Die Sammlung geht zurück bis in die Mitte der 1960er Jahre. Diesen historischen Positionen werden aktuelle der 1990er Jahre gegenübergestellt. Die Sammlung erhebt keineswegs Anspruch auf einen vollständigen Überblick. Vielmehr werden Schwerpunkte spezifischer künstlerischer Positionen und Thematiken gesetzt. Der Begriff Skulptur wird nicht im Sinne von Objektkunst oder Bildhauerei definiert, sondern weit und medien-unabhängig gefasst. Fotografie, Film, Video und Installation nehmen in der Sammlung einen besonderen Stellenwert ein. Die Bearbeitung und gegebenenfalls Restaurierung von wichtigen historischen Beständen zählt zu den wohl bekanntesten Leistungen der Generali Foundation. Werke von Künstler:innen, die - obwohl sie ganz wesentliche Beiträge geschaffen haben - in Institutionen nicht entsprechend repräsentiert werden, vor allem von weiblichen Künstler:innen, werden verstärkt berücksichtigt.
Als besondere Gelegenheit konnte für die Dauer der Ausstellung die Edition postproduktion mit Werken von VALIE EXPORT, Andrea Fraser, Isa Genzken, Bruno Gironcoli, Dan Graham, Elke Krystufek, Bertrand Lavier, Dorit Margreiter, Franz West und Heimo Zobernig mit einer 10% Ermäßigung erworben werden. (Die Edition ist ausverkauft)