Die Gewalt ist der Rand aller Dinge
Subjektverhältnisse, politische Militanz und künstlerische Vorgehensweisen
Gastkurator:innen:
Alice Creischer, Andreas Siekmann (Berlin, DE)
Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz
Werke von Gerd Arntz, Linda Bilda, Katja Eydel, Freies Fach, Gérard Fromanger, Global Dustbowl Ballads, Grupo de Arte Callejero, Imma Harms, Thomas Kilpper, Ulrike Müller (J.U.P.), Charlotte Posenenske, P.S.P.I., Yvonne Rainer, Christoph Schäfer, Patricia Reschenbach (J.U.P.), Dierk Schmidt, Theoretisches Fernsehen feat. Judith Hopf, Seth Tobocman, Ultra-red, Klaus Weber
Mit jeweils der ersten Ausstellung im neuen Jahr bot die Generali Foundation in Wien ein experimentelles Programm und setzte die Reihe der Zusammenarbeit mit jungen Künstler:innen und Kurator:innen fort. Für 2002 waren die Künstler:innen und Autor:innen Alice Creischer und Andreas Siekmann (Berlin, Deutschland) eingeladen worden, ein Ausstellungskonzept zu entwickeln. Jenseits von Aktualitätszwängen befragte die Ausstellung das Thema "Militanz" nach seinen geschichtlichen und künstlerischen Modi. Die Ausstellung vereinte verschiedene künstlerische Beiträge aus den Vereinigten Staaten von America, Argentinien und Europa, wobei die Gast-Kurator:innen bewusst auch historische Positionen als Referenzmaterial heranzogen. Die gesamte Ausstellung war in eine Theatersituation eingebunden, welche den Ausstellungsraum in Bühne und Backstage gliedert.
"Als wir über eine Ausstellung zum Thema Militanz nachdachten, geschah dies vor dem Hintergrund der internationalen Proteste gegen die Politik der WTO, IWF und der G8-Treffen. Jedenfalls, bevor ein Verständnis für politische Militanz zwischen die Mahlsteine von Terror und staatlichem Gegenterror zu geraten drohte. Gerade Letzteres bestärkte uns nach einer Bedenkzeit, unser Vorhaben durchzuführen.
Unserer Meinung nach ist Militanz nicht außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft angesiedelt. Sie ist ihr inhärent, seit die französische Revolution in den Ausruf 'Bereichert Euch' mündete. Das darauf folgende 'Manifest der Zornigen' beruft sich jedoch auf dieselben emanzipatorischen Ideen. Welche Spuren hinterlässt diese Zwiespältigkeit der bürgerlichen Freiheit in der bürgerlichen Subjektivität und in ihren künstlerischen Äußerungen? Wie haben Künstler:innen darüber gearbeitet, in welcher Weise ist ihr Selbstverständnis mit einer politischen Geschichte der Militanz verbunden und was hat sich jetzt daran verschoben?
Die Begriffe 'Kunst und Militanz' können nicht gegeneinander ausgespielt werden, so wie 'hier der Schein und dort das Reale‘. Sie können auch nicht untergeordnet werden, so wie ‘hier das Mittel zum politischen Zweck'. Vielmehr scheint es in beiden Fällen um eine Form von Aufführung oder Demonstration zu gehen, die verbunden ist mit der wichtigen Anmaßung, öffentlich im Namen anderer zu handeln oder sich zu artikulieren. Die Ausstellung hat nicht den Anspruch, eine Art globale Phänomenologie zum Thema Militanz zu liefern. Sie kann nur eine einseitige - eine sehr parteiische - Skizze bleiben."
(Alice Creischer, Andreas Siekmann)