Das Neue Europa
Kultur des Vermischens und Politik der Repräsentation
Gastkurator:innen:
Marius Babias, Dan Perjovschi
Kuratorische Assistenz, Ausstellungsproduktion:
Isabella Marte
Werke von Renaud Auguste-Dormeuil, John Miller, Oda Projesi, Dan Perjovschi, Lia Perjovschi, Natascha Sadr Haghighian, Hito Steyerl, Marlene Streeruwitz, Silke Wagner, Jasmila Zbanic sowie Projekte und Initiativen aus dem europäischen Raum.
In der für die Generali Foundation gemeinsam erarbeiteten Ausstellung thematisierten die beiden Gastkuratoren Marius Babias und Dan Perjovschi das künstlerische Spannungsfeld im "Neuen Europa" nach dem damals scheinbaren Ende der Ost-West-Konfrontation. Im Mittelpunkt standen künstlerische Positionen, die neue Zusammenhänge zwischen einem kulturell definierten Europa und der dahinterliegenden Idee der politischen Vereinheitlichung herstellten. Eine zentrale Fragestellung lautete, wie im Hinblick auf zukünftige Selbstdefinitionen Europas eine neue "Kultur des Vermischens", befreite Identitäten und Handlungsoptionen entstehen können.
Die Ausstellung entwarf das "Neue Europa" als ein ambivalentes politisches Projekt mit Chancen und Risiken. Die EU umfasste damals 25 Staaten mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen und Lebensbedingungen. Einerseits basierte die Vereinigung Europas auf einer gemeinsamen Währung, Verfassung, Armee und politischen Führung, andererseits auf der problematischen Konstruktion einer europäisch-christlichen Kultur- und Wertegemeinschaft. Hier setzte die Ausstellung an, indem sie die Rolle der Kunst bei der Herstellung von Bildern, Images und Einstellungen thematisierte. Die Kunst ist aktiv an der Neugestaltung Europas beteiligt. Die großen Herausforderungen im europäischen Vereinigungsprozess kritisch zu hinterfragen, erscheint umso notwendiger, als in der künstlerischen Auseinandersetzung frühzeitig Konflikte angesprochen werden, die unser Leben in einem zukünftigen Europa mitbestimmen.
Die künstlerischen Positionen der Ausstellung behandelten folgende Aspekte des "Neuen Europas": die Folgen der jugoslawischen Kriege aus der Perspektive des weiblichen Subjekts (Jasmila Zbanic); Kunstaktivismus als integraler Bestandteil von Demokratie und Zivilgesellschaft (Silke Wagner); die Überwachung des öffentlichen Raums sowie die Konkurrenz zwischen Europa und USA im Bereich der Militärtechnologie (Renaud Auguste-Dormeuil); die gewandelte Rolle der Künstler:innen unter postkommunistischen Bedingungen (Dan Perjovschi); die Kunst als Speichermedium für Wissen, Erfahrung und Erinnerung in der sich verändernden europäischen Landschaft (Lia Perjovschi); die Abschottung Europas in einer vermeintlichen Welt ohne Grenzen (Hito Steyerl); die Aktivierung der Öffentlichkeit als Voraussetzung für politische Teilhabe an Entscheidungsprozessen (Natascha Sadr Haghighian); die Verdichtung von Phänomenen sozialer Gemeinschaft in einer neuen Kunst des Handelns (Oda Projesi); die Produktion von Rassismus durch Sprache und Medien (Marlene Streeruwitz); die Dokumentation des Alltagslebens in unterschiedlichen europäischen und US-amerikanischen Städten (John Miller).
Zusätzlich zu den künstlerischen Arbeiten wurden 15 Projekte und Initiativen aus dem gesamten europäischen Raum vorgestellt. Das Präsentationsdisplay konnte von den Besucher:innen als Materialien- und Infopool genutzt werden. Die dokumentierten Projekte und Initiativen verbanden sich mit den künstlerischen Positionen und unterstrichen den Anspruch der Ausstellung, der Europa-Diskussion neue Impulse zu geben.
Die Ausstellung behandelte die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft Europas. Es wurden sowohl die politischen und ökonomischen Aspekte des "Neuen Europas" herausgearbeitet als auch damals aktuelle künstlerische Positionen und Projekte ausgestellt, die den europäischen Vereinigungsprozess als eine Chance auf einen Kritikentwurf Europas begriffen. Babias und Perjovschi beleuchteten die für den europäischen Gedanken konstitutiven Kategorien der Repräsentation, der Akkulturation und der Transkulturalität und fügten die künstlerischen Arbeiten zu einem kritisch-künstlerischen Parcours zusammen.