Danica Dakić
Role-Taking, Role-Making
Kuratorin: Sabine Folie
Assistenzkuratorin, Ausstellungsproduktion: Georgia Holz
Die Ausstellung war ein Kooperationsprojekt der Kunsthalle Düsseldorf GmbH mit der Generali Foundation, Wien und dem Museum of Contemporary Art Zagreb.
Mit „Danica Dakić. Role-Taking, Role-Making“ zeigte die Generali Foundation die erste umfassende monografische Schau der Künstlerin in Österreich. Gezeigt werden zentrale Werke, darunter Casa del Lago (2008/2009), Warm-Up (2008), Isola Bella (2007/2008),
Role-Taking, Role-Making" war Titel und Leitmotiv der Schau, welche die Generali Foundation der 1962 in Sarajewo geborenen und in Düsseldorf lebenden Künstlerin Danica Dakić widmete. Die soziale und kulturelle Prägung von Rollen, deren Aneignung und Artiku-lationsformen bilden zentrale Motive ihrer künstlerischen Arbeit. Im videografischen, filmischen und fotografischen Medium untersucht die Künstlerin Begriffe wie „Kultur", „Heimat" und „Tradition" – Werte, die durch Krieg oder Migration dramatischen Veränderungen unterworfen sind und deren Spuren in Geschichte, Sprache und Identität ablesbar werden. Dakićs eigene Erfahrung der Migration rückt diese Fragen in ein besonderes Licht. In ihren Arbeiten schärft die Künstlerin die Sensibilität für Vorgänge, die mit Flucht und Exil, mit Entfremdung und kulturellem Gedächtnis zu tun haben.
Was ist Freiheit?, fragt sie beispielsweise. Ist Entwurzelung auch als Chance zu sehen und nicht bloß als Entfremdung? Was bedeutet der Verlust von Sprache, von sprachlichem Ausdrucksvermögen in einer neuen Umgebung? Welche Rollen werden uns aufgedrängt?
In Role-Taking, Role-Making, einer 2004/2005 entstandenen Arbeit, wird Rollenverhalten zwischen Anpassung und Selbstpositionierung mit Bezug auf kulturelle Repräsentationsformen und kollektives Bildgedächtnis verhandelt. Thema ist die historische und politische Situation der Roma in Südosteuropa, deren Ausgrenzung im Kosovo, aber auch die Fragwürdigkeit der „Integration" von Roma in Deutschland. Rollenzuschreibungen an Sinti und Roma in einem Europa der Staatengemeinschaft und im Kosovo der postjugoslawischen Ära werden dabei ebenso befragt wie die Repräsentation von „Zigeunern" in der europäischen Kultur- und Kunstgeschichte. Für Role-Taking, Role-Making hat Dakić mit Bewohner:innen der Enklaven Preoce und Plementina zusammengearbeitet.
Ähnlich wie in Role-Taking, Role-Making thematisiert Dakić auch in Isola Bella (2007/2008) die Kategorien Rolle, Identität und Persönlichkeit. Vor der Kulisse einer Panoramatapete mit dem Motiv einer paradiesischen Insel entwickeln die Bewohner:innen eines Heims zum Schutz geistig und körperlich behinderter Menschen im bosnischen Pazarić Performances, erzählen Geschichten aus ihrem Leben, verfassen Texte, singen Lieder und improvisieren am Klavier. Nur vordergründig bildet die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner:innen den Inhalt der Arbeit.
Heterogene Erzähl- und Darstellungsstrategien werden in Reinszenierungen historisch tradierter Darstellungen von „Zigeuner:innen“ mit Interviews und dokumentarischen Sequenzen aus dem realen Leben der Akteur:innen verwoben. Die Außenperspektive dazu bilden Aufnahmen von Proben eines Theaterstücks – Federico García Lorcas Bluthochzeit –, aufgeführt durch das Roma-Theater Pralipe aus Skopje, das, als einzige europäische Roma-Theatergruppe, von 1991 bis 2004 Teil des Theaters an der Ruhr in Mühlheim war und von Dakić begleitet und filmisch dokumentiert wurde.
Die Protagonist:innen, durch das Setting der Inszenierung von ihren gesellschaftlichen, rechtlichen, medizinischen und kulturellen Zuschreibungen befreit, betreten mit ihren Wünschen, Träumen und Phantasien die Bühne. Als Akteur:innen und als Publikum spielen sie sich selbst und erfinden sich zugleich neu. Die Masken, die die Darsteller:innen sowohl auf der Bühne als auch im Publikum tragen, die Tapete und die kinematografische Stilisierung heben das Realitätsprinzip auf, wie Tom Holert in der Publikation zur Ausstellung erläuterte. Sie schützen, schaffen Distanz und lassen den Freiraum zu, das „Ich als ein Anderes“ für die Dauer des Spiels vorzuführen.
Themen und Gegenstand in Dakićs Filmen und Fotografien machen diese Distanz unabdingbar; jede Zudringlichkeit würde die Integrität der dargestellten Subjekte kompromittieren. Mithilfe von Strategien des Theaters, der Performance und der Fotografie untersucht die Künstlerin die Stereotypisierung des Blicks bei gleichzeitiger Ermächtigung der Dargestellten, sich aus eben jener Stereotypisierung zu befreien. Das Spiel der Inszenierung wird aktiv betrieben, der Bildgegenstand überhöht – nicht als verdinglichtes Klischee, sondern in mitunter ironischer Brüchigkeit mit allerlei Widersprüchen, die den Illusionismus der Nachstellung aufbrechen und den Akt der Inszenierung zum eigentlichen Inhalt des Bildes machen.
Die Auseinandersetzung mit Sprache, Identität und Geschichte von Marginalisierten mündet bei Danica Dakić nicht in der Abbildung von Wirklichkeit, vielmehr in deren Fiktionalisierung durch Inszenierung, anhand derer sie tradierte Repräsentationsformen und normative Rollenzuschreibungen kritisch zur Diskussion stellt.