Amazing! Clever! Linguistic! An Adventure in Conceptual Art
Die Sammlung kuratiert von Guillaume Désanges.
Kurator: Guillaume Désanges
In Zusammenarbeit mit Work Method, Agentur für künstlerische Projekte, Paris.
Recherche: Mélanie Mermod,
Assistent:innen: Jing He, Jeanne Barral.
Karten und Diagramme: Hélène Meisel.
Assistenzkuratorin Generali Foundation, Ausstellungsproduktion: Georgia Holz
Drei internationale Kurator:innen – Guillaume Désanges, Helmut Draxler und Gertrud Sandqvist – wurden zum 25-jährigen Bestehen der Generali Foundation eingeladen, aus ihrer spezifischen Sicht die Sammlung, die Institutions- und Ausstellungspolitik der Generali Foundation und damit ihre Art, Geschichte anhand institutioneller Arbeit zu schreiben, in äußerst unterschiedlichen Präsentationsformen zu reflektieren. Die verschiedenen Perspektiven, die die Kurator:innen beleuchteten, ihre Fragen zu den Definitionen der sogenannten Konzeptkunst oder – weiter gefasst – Kunst konzeptueller Ausrichtung, zum Sammeln und zum Kuratieren derselben sowie Überlegungen zum Verhältnis von konzeptuellen, auch historischen Strategien des Displays zu den Werken bildeten den Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen und Vorträge des Jubiläumsjahres.
Den Anfang machte der französische Kurator und Kritiker Guillaume Désanges:
"Ich glaube, dass Kunst die einzige politische Macht, die einzige revolutionäre Macht, die einzige evolutionäre Macht ist, die einzige Macht, die die Menschheit von aller Unterdrückung zu befreien vermag. Ich sage nicht, dass die Kunst das schon geschafft hat, ganz im Gegenteil. Und weil sie es noch nicht geschafft hat, gilt es, sie zu einer Waffe zu machen – vorerst geht es um den Grad der Radikalität, dann kann man über Einzelheiten sprechen“. Joseph Beuys, in Avalanche Newspaper, Mai/Juni 1974
„Nicht von ungefähr besteht eine der Beschränkungen, denen die Geschichte als Forschungsdisziplin unterworfen ist, darin, dass der materielle Fortbestand der Urkunden sie für die Notwendigkeit, diese zu neuem Leben zu erwecken, blind macht“. Jalal Toufic, Vom Rückzug der Tradition nach einem unermesslichen Desaster, 2011 (2009)
Die Entstehung der Konzeptkunst Ende der 1960er Jahre war ein einzigartiges intellektuelles und ästhetisches Abenteuer, das aus den erfrischendsten Quellen des 20. Jahrhunderts schöpfte. Eine Revolution der Formen und der Intelligenz, die trotz ihrer angeblichen Mängel und Pannen die semantische und ideologische Schlacht gewonnen und unversehens eine neue Politik des Blicks durchgesetzt hat. Diese Sprengkraft, die ebenso unterschwellig wie mächtig war, hat die Beziehungen von Zeit und Raum, Geist und Körper, Kunst und Leben, Funktionalem und Kontingentem nachhaltig erschüttert.
Eingeladen, eine Ausstellung zur Sammlung der Generali Foundation zu konzipieren, die von der Konzeptkunst ausgeht und deren Fragestellungen fortführt, wollte ich dieser Bewegung nicht noch eine weitere theoretische Ebene hinzufügen, sondern mich ihr eher mit Liebe und Bewunderung annähern. Das heißt, frontal und ohne Umschweife zum Kern des Themas zu kommen, mehr im Sinne eines Teilens und einer Würdigung als einer neuerlichen kritischen Perspektive. Dazu musste ich zwangsläufig und auf einfühlsame und völlig unhierarchische Weise die theoretischen, ästhetischen, politischen und poetischen Ansätze der Bewegung entfalten: mich aus einer gewissermaßen überdrehten und saturierten Position annähern, eher eine Wahl als eine Auswahl treffen, mit den vielfältigen aber nicht widersprüchlichen Bedeutungen von Konzeptkunst arbeiten. Einfach ein kognitives und sinnliches Epos erzählen, und zwar in einer eher narrativen als diskursiven Weise, indem ich besucher:innenorientierte Ausstellungen historischer, wissenschaftlicher und pädagogischer Art zum Vorbild nehme – eine Mischung aus Faszination und Wissen, Wissenschaft und Exotik, Didaktik und Propaganda.
Während für eine:n Kurator:in jede Ausstellung eine neue Situation darstellt, eine Herausforderung, gegen das Offensichtliche anzukämpfen und eine Form zu finden, die den Geist der Werke trifft, geht es hier darum, eine Antwort auf die Frage anzubieten, wie man „konzeptuell“ kuratieren kann. Das könnte zum Beispiel bedeuten, im Register des Deskilling zu arbeiten, ein Begriff, der seit der Moderne das Amateurhafte dem Akademischen gegenüberstellt und in der Konzeptkunst eine Wiederaufnahme gefunden hat. Deskilled curating [ungeschultes Kuratieren] heißt hier, Reflexe und die Versuchung der Virtuosität vermeiden, mit dem Ziel, den freien und risikobereiten Geist wiederzufinden, der die Pioniere der Konzeptkunst belebt hat. Diese kuratorische Reterritorialisierung wird hier durch eine offen transitive Ausstellung umgesetzt, mit dem utopischen Gedanken, sich an das breite Publikum zu wenden, ohne die professionellen Kodifizierungen der Kunstwelt. Es geht also darum, durch eine Szenografie, die auf Dichte und Großzügigkeit angelegt ist, und mit einem verzweifelten Versuch, in einem Chaos von Annäherungen und Konzepten Ordnung zu schaffen, die Möglichkeit einer Erfahrung anzubieten. Von „expanded intelligence“ bis zur „Außergewöhnlichkeit des Alltäglichen“, von der „raumzeitlichen Revolution“ bis zur „Schönheit des Layouts“ werden die Werke der Sammlung in einem Netz aus Bezügen, Paratexten, Bildern, Slogans, Objekten, Artefakten, mehr oder weniger spontanen, mehr oder weniger zutreffenden, mehr oder weniger objektiven Kommentaren in spielerischer und präziser Weise angeordnet, ohne den Anspruch und die Komplexität der Dinge preiszugeben. Eine im Modus der Ausstellung aktualisierte Würdigung, die nicht darauf vergisst, dass dieses unglaubliche Abenteuer auf wahren Begebenheiten beruht.
(Guillaume Désanges)
Mit Werken von Robert Barry, Gottfried Bechtold, Marcel Broodthaers, Ernst Caramelle, Lili Dujourie, VALIE EXPORT, Andrea Fraser, Bruno Gironcoli, Dan Graham, Hans Haacke, Sanja Iveković, Jarosław Kozłowski, Richard Kriesche, Friedl Kubelka, Dóra Maurer, Gordon Matta-Clark, Dennis Oppenheim, Ewa Partum, Adrian Piper, Martha Rosler, Gerhard Rühm, Allan Sekula, Goran Trbuljak, Ian Wallace, Peter Weibel, Franz West und anderen.
Guillaume Désanges ist Kurator und Kritiker sowie Gründer von „Work Method“, einer Agentur für kuratorische Projekte in Paris. Er war Redaktionsmitglied des Kunstmagazins Trouble und verfasst regelmäßig Beiträge für Exit Express und Exit Book in Madrid. Von 2001 bis 2007 koordinierte er Kunstprojekte für Laboratoires d’Aubervilliers. Er entwickelte mehrere performative Vorträge u. a. A History of Performance in 20 Minutes (Centre Pompidou, Paris; De Appel, Amsterdam; Mac/Val, Paris; U-Turn, Copenhagen; Artists Space, New York), Vox Artisti, His Masters’ Voices (Halles de Schaerbeek, Brussels; Bétonsalon, Paris; University of Chicago), Signs and Wonders Theory of Modern Art/Theorem of Damned Art (Tate Modern, Centre Pompidou). Zahlreiche Ausstellungen u. a. Pick-Up bei Public, Paris (2004) und STUK, Löwen (2008); Untouchable (The Transparency Ideal) in der Villa Arson, Nizza und dem Museo Patio Herreriano Valladolid (2006–07); Jirí Kovanda vs The Rest of the World in der gallery gb agency, Paris, dem De Appel, Amsterdam und dem Centre d’Art Santa Monica, Barcelona (2006–07); Child’s Play im Rahmen der Biennale Periferic, Iasi, Rumänien und im Nam June Paik Center, Seoul (2008–09); Michel François, Plans for Escape im SMAK, Ghent (2009); Erre im Centre Pompidou-Metz (2012) mit Hèléne Guenin.