Allan Sekula
Performance under Working Conditions
Kuratorin: Sabine Breitwieser
Assistenzkuratorin und Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz
Allan Sekula (1951 Erie, Pennsylvania/USA - 2013 Los Angeles, Kalifornien/USA) war damals einer der meist diskutierten Künstler. Mit '"Performance under Working Conditions" präsentierte die Generali Foundation seine erste Retrospektive in Österreich und zugleich die erste Ausstellung, die Sekulas damaliges Schaffen mit seinem Frühwerk in Beziehung setzte. In meist vielteiligen Fotosequenzen widmete sich Sekula politischen und sozialen Themen, die sich konsequent durch sein gesamtes - über dreißigjähriges - Schaffen ziehen und dabei stets auf aktuelle gesellschaftliche Probleme bezogen blieben. Die Ausstellung richtete ein besonderes Augenmerk auf einen oftmals unterschätzten Aspekt in Sekulas Œuvre: sein Interesse am Theatralischen, das die dokumentarische Seite seiner Arbeit konterkariert und durch eine ironisch humorvolle ergänzt.
Die Verbindung zwischen Sekulas Frühwerk und seinen damals aktuellen Arbeiten ließ sich über seine Anti-Kriegs-Haltung herstellen. In "Two, three, many...(terrorism)" (1972) griff der Künstler ein gegen den Vietnam-Krieg gerichtetes Motto Che Guevaras auf. Im Gegensatz zu anderen Teilen der Studentenbewegung transformierte Sekula die anti-imperialistische Aufforderung, "zwei, drei, viele" Vietnams zu schaffen, in eine künstlerische Form: Ein Mann robbte, mit asiatischem Bauernstrohhut bekleidet und Spielzeug-MP bewaffnet, durch das öffentliche Leben der US-amerikanischen Mittelschicht. In "War without Bodies" (1991/1996) dokumentierte Sekula die vertraulich taktile Untersuchung eines Kampfflugzeuges als touristische Attraktion. Der öffentliche Raum, mittlerweile offenbar selbstverständlich militarisiert, war hier nicht mehr sichtbar. In dem gleichnamigen Essay kritisierte Sekula den damals aktuellen Diskurs über "Maskulinität und organisierte staatliche Gewalt" am Beispiel des Golfkrieges von 1991. Die häufig verwendete Kombination von Text und Fotografie löste Sekulas Skepsis gegenüber der universellen Lesbarkeit des Einzelbildes praktisch ein.
Als Theoretiker hatte Sekula Ende der siebziger Jahre für eine Neuerfindung des Dokumentarischen plädiert. Dabei ging es ihm um eine Überwindung des Gegensatzes eines fotografischen Funktionalismus, wie er in den Sozialreportagen der dreißiger Jahre zur Anwendung kam, auf der einen, und einem neuromantischen Ästhetizismus auf der anderen Seite. Sekulas Auseinandersetzungen mit den Veränderungen der Arbeitswelt können als seine ersten Arbeiten betrachtet werden, die diese theoretischen Vorgaben umsetzen. Die Fotoserie "This Ain’t China" (1974) thematisiert die Arbeitsbedingungen in einem Restaurant, in dem der Künstler selbst angestellt war. Auch in "School Is a Factory" (1978/80) griff Sekula auf eigene Erfahrungen zurück. Der gesellschaftstheoretisch inspirierte Text - der Titel der Arbeit geht auf eine Metapher Michel Foucaults zurück - ist gepaart mit Fotos, die der Künstler von den Schüler:innen der von ihm geleiteten Abendschulkurse gemacht hat. Während Sekula sich hier einerseits in das Sujet involviert zeigt, indem er Szenen seiner eigenen Umgebung zum Thema macht, ging es ihm andererseits um die Dokumentation allgemeiner Lebens- und Arbeitsbedingungen einer von Schulsystem und Arbeitsmarkt geprellten Generation.
Die Transformation von Arbeitsbedingungen ist auch das Thema von "Freeway to China" (1998-99). Hier sind es die durch die ökonomische Globalisierung ausgelösten Veränderungen, die am Beispiel der Hafenarbeiter von Los Angeles und Liverpool thematisiert wurden. Auf 23 Farbfotografien in verschiedenen Formaten dokumentierte Sekula Solidaritätsaktionen, Arbeitskämpfe und Schicksale einzelner Docker. Wie in nahezu allen Arbeiten Sekulas ergänzen einander essayistische Texte und Fotografien zu einem an philosophischen und literarischen Referenzpunkten reichen Werk.
Ihren deutlichsten Widerhall finden die Kämpfe gegen die Globalisierung im Œvre Sekulas vielleicht in "Waiting for Tear Gas (white globe to black)" (1999-2000), der Dokumentation der Proteste gegen den WTO-Gipfel in Seattle 1999. Aber auch das Meer als vergessener Ort ist ein in diesem Kontext immer wiederkehrendes Motiv in Sekulas Arbeiten. "Freeway to China" sowie auch "Tsukiji" (2001) und "Black Tide/marea negra" (2002-03) erinnern daran, dass die ökonomische Globalisierung nicht allein im Cyberspace stattfindet, sondern den langsamen Transport von Gütern zur Voraussetzung hat. In der damals aktuellsten Arbeit, in der Sekula die Aufräumarbeiten nach der Havarie des Tankers "Prestige" vor der galicischen Küste dokumentierte, griff er sowohl die inhaltliche Kritik als auch die serielle Form früherer Werke auf.