National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski

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Sammlung Generali Foundation - Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, © Kara Walker

Kara Walker

National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski, 2009

Videoinstallation Video, Farbe, Ton, 12 min 8 sec Auflage: 1/5 + 2 A.P.

GF0031836.00.0-2021

Werktext

In der Sammlung Generali Foundation befindet sich die 2009 entstandene Videoarbeit National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski. Sie erzählt die wahre Geschichte einer Frau namens Lucy und entstand als Folge von Walkers Recherche über das U.S. National Archives Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands, das 1865 gegründet worden war, um freigelassenen Sklavinnen und Sklaven bei ihrem Aufbau eines neuen Lebens in Freiheit zu unterstützen. Das Archiv führte akribische Untersuchungen zu Vorfällen von Gewalt an freigelassenen Sklav_innen durch und beherbergt die Aufzeichnungen. Walker verwendet den Bericht über einen konkreten Fall als Drehbuch für ein Video. Er handelt von einer jungen schwarzen Frau namens Lucy, die eines sexuell ausschweifenden Verhaltens bezichtigt wurde, das der angebliche Grund für Unruhen gewesen sein soll, die sich 1868 in Pulaski, Tennessee, ereigneten. Pulaski ist die Geburtsstätte des 1865 von Veteranen der Konföderierten als Bürgerwehr gegründeten Ku Klux Klan, der sich bis heute mit aktiver Gewalt gegen Schwarze richtet. Er wurde in der Nationalen Presse erstmals in Verbindung mit dem Vorfall Lucy of Pulaski erwähnt. Es ist die Geschichte der Vergewaltigung einer jungen schwarzen Frau durch einen weißen Mann. In der Folge entbrannte ein Streit zwischen Weißen und Schwarzen und führte zu Ausschreitungen und einem gezielten, organisierten Angriff bewaffneter Weißer auf Schwarze, von denen einige schwer verwundet, andere getötet wurden. In einer Art Filmvorspann werden die handelnden Personen kurz mit eingeblendetem Namen vorgestellt. Das Schattenspiel macht weiße und schwarze Akteure gleich. Zur Unterscheidung der Charaktere, die in Form von karikierten Silhouetten dargestellt sind, übernimmt die Künstlerin bewusst äußere Klischees und Stereotypsierungen als groteskes Mittel. Walker scheut sich nicht, den brutalen Szenen Raum und Zeit zu geben, die den Akt der sexuellen Gewalt als Machtdemonstration und die Straßenkämpfe mit ihren ungleich verteilten Kampfmitteln drastisch vor Augen führen. Das Schattenspiel wird in diesem Fall mit flachen Puppenfiguren erzeugt, welche die Künstlerin selbst an Stäben von Hand bewegt. Sie greift damit eine Technik der deutschen Silhouetten-Animationsfilmerin Lotte Reiniger (1899-1981) auf, die ab den 1920er-Jahren mit Frühformen des Trickfilms experimentierte und 1926 mit dem Silhouettenfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed den ersten noch erhaltenen abendfüllenden Trickfilm schuf, elf Jahre bevor Walt Disney Schneewittchen und die sieben Zwerge präsentierte. (Doris Leutgeb) Der Originaltext aus Freedmen’s Bureau ist Online nachzulesen: http://freedmensbureau.com/tennessee/outrages/orangerhodes.htm Wikipedia article on the Pulaski Riots: https://en.wikipedia.org/wiki/Pulaski_riot