Designs
für die wirkliche Welt

  • 05_2002_3_designs_grhalleseite03-pumh Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 01_2002_3_designs_grhalle01_aksam Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 02_2002_3_designs_grhalle08 Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 03_2002_3_designs_grhalleseite01-wodicz Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 04_2002_3_designs_grhalleseite08 Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 06_2002_3_designs_grhalleseite02-pumh Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 07_2002_3_designs_klhalle01-wodicz Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 08_2002_3_designs_klhalle04 Ausstellungsansicht: Designs für die wirkliche Welt, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
    13.09. bis 22.12.2002
    Konzept, Kuratorin: Sabine Breitwieser
    Co-Kuratorin, Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz

    Werke von Azra Aksamija, Marjetica Potrc, Florian Pumhösl und Krzysztof Wodiczko

    Die Ausstellung versammelte exemplarisch Projekte von vier Künstler:innen, die sich mit der Gestaltung unserer Lebenswelt auseinander setzten und sich besonders durch ihren interdisziplinären Zugang auszeichneten. Utopisches oder ökologisches Design, Design für die Dritte Welt, "Social Engineering", Stadtentwicklung, urbane Konfliktstellen und die Frage nach der Verantwortung der Kunst in einer "New Genre Public Art" wurden in den jeweiligen Projekten in unterschiedlicher Weise thematisiert.

    Die Entstehung und Analyse einer neuen städtischen Struktur stand im Mittelpunkt des Projektes von Azra Aksamija (*1976 Bosnien und Herzegovina). Der Arizona Markt, der größte Schwarzmarkt Bosniens, 1997 von amerikanischen SFOR-Truppen in Bosnien gegründet, stellte mit seiner ethnisch gemischten Bevölkerung ein ideales Untersuchungsobjekt dar. Positiv bewertete Aksamija die Selbstregulierungskräfte der Bewohner:innen innerhalb dieses Umschlagplatzes für Waren jeder Art. Die von der Architektin vorgeschlagenen Interventionen, eine "Provokateurstange" mit allen notwendigen Versorgungsanschlüssen für Strom, Wasser und Kanal sowie ein Platzhalter in Form eines Sportplatzes, waren für die Ausstellung prototypisch konstruiert worden. Eine Doppelvideoprojektion mit visuellen und akustischen Eindrücken vom Markt und ein Time-Table der historischen, politischen und sozialen Situation vervollständigten das Bild, das Aksamija vom Arizona Markt zeichnete.

    Einen vergleichbaren Ansatz verfolgte Marjetica Potrc (*1953 Slowenien) mit der Rekonstruktion urbaner Strukturen von Vorstädten oder Slums vorwiegend der Dritten Welt. Die rund um "Core Units" - einfache Andockstellen für die Grundversorgung - entstandenen Gebäude, nahm die Künstlerin auf und baute sie im Ausstellungsbereich nach. Für die Ausstellung in der Generali Foundation rekonstruierte sie ein Gebäude des amerikanischen Architekten Samuel Mockbee (1944-2001) und seines "Rural Studio". Mockbees Anliegen war die Entwicklung innovativer Wohnentwürfe für die arme Bevölkerung des amerikanischen Südens. Das "Butterfly-House" zeichnete sich durch seine auffallende Dachstruktur in Flügelform aus, die zum Sammeln und Wiederverwerten von Regenwasser dient. Shanty Towns, Gated Communities, mobile Architektur sind Themen ihrer fotografischen Serien. Das Ausstellen von innovativem Design u.a. für die Dritte Welt als Ready Made bildete das dritte Standbein ihrer Präsentation in Wien.

    In Florian Pumhösls (* 1971 Österreich) Projekten wird die Faszination für die Ästhetik und die Rhetorik der Moderne und ihre nachfolgenden Erneuerungsbewegungen gleichzeitig mit deren kritischen Analyse und Distanzierung erlebbar. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit "On or off earth" (1996) machte die Grundstrukturen seines künstlerischen Ansatzes sichtbar. Der modellhafte Nachbau von Designentwürfen Victor Papaneks u.a. aus seinem Buch "Designs for the Real World", die kontextualisierende Einbettung in die zeithistorischen Diskurse durch Publikationen und Texte sowie die kritischen Kommentare des Künstlers selbst formten ein Gesamtszenario zur Überprüfung des utopischen Gehalts der Alternativbewegung der 1960er Jahre.

    Die "Politik des Absurden" im Polen der 1970er Jahre stand möglicherweise Pate für die Entwicklung der ersten Vehicles von Krzysztof Wodiczko (1943 in Polen). Das "First Vehicle" (1972) wurde z.B. durch Vor- und Rückwärtsgehbewegungen des Künstlers angetrieben. In den späten 1980er Jahren hatte Wodiczko diese Ansätze unter Berücksichtigung der anderen Realität einer kapitalistischen Gesellschaft zur Serie der "Homeless Vehicles" weiterentwickelt. Damit stellte Wodiczko dieser sozialen Gruppe ein "Straßengerät" zur Verfügung, das die Grundbedürfnisse der "Überlebensökonomie", wie Wohnen, Schlafen und Waschen, aber auch Sammeln und Wiederverkaufen von Dosen und Flaschen, berücksichtigte. Das Anliegen des Künstlers, Randgruppen die Macht von öffentlicher Präsenz und Rede zu geben, manifestierte sich in Designprojekten wie "Alien Staff" - eine "Kommunikationshilfe" für Migrant:innen - und seinen damals jüngsten Projektionen im öffentlichen Raum. In "The Tijuana Projection" (2001) wurden die erschütternden, persönlichen Erlebnisse der weiblichen Bevölkerung der Grenzstadt Tijuana live in Bild und Ton auf das monumentale, kugelförmige Gebäude von "El Centro Cultural" geworfen und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Krzysztof Wodiczko ist (Stand 2023: emeritierter) Professor der Interrogative Design Group im Center of Advanced Visual Studies und Direktor des Visual Arts Program am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) in Cambridge.

    Mit der Entwicklung eines Konservenbüchsenradios, das unabhängig vom Stromnetz überall funktionsfähig ist, setzte Victor Papanek in den sechziger Jahren neue Designstandards. Jenseits von Gestaltungsfragen stellte er Ökologie, Ökonomie und Nachhaltigkeit ins Zentrum des Entwurfsprozesses.

    Die Projekte der Künstler:innen für die Ausstellung setzten sich mit den jeweils spezifischen sozialen, politischen und ökonomischen Lebensbedingungen auseinander und entwickelten Ansätze eines neuen Designs für die wirkliche Welt.