Counter-Production

  • 2012_2_CP_grHalle_01 Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_grHalle_02 Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_grHalle_Reynaud-Deward3 Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_grHalle_Reynaud-Deward1 Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_Seitentrakt_Olesen.ReynaudDeward Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_Seitentrakt_Strau.Pryde Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_Seitentrakt_Olesen.Pryde.Strau Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_klHalle_Price.Basbaum Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
  • 2012_2_CP_klHalle_Price.Hugonnier Ausstellungsansicht: Counter-Production, © Generali Foundation, Foto: Wolfgang Thaler
    07.09. bis 16.12.2012
    Kurator:innen: Diana Baldon und Ilse Lafer unter Mitwirkung von Luke Skrebowski

    Werke von Ricardo Basbaum, Mary Ellen Carroll, Dexter Sinister, Goldin+Senneby, Marine Hugonnier, Henrik Olesen, Marion von Osten, Johannes Porsch, Seth Price, Josephine Pryde, Lili Reynaud-Dewar, Josef Strau.

    Mit den technologisch-ökonomischen Transformationsprozessen des 20. und 21. Jahrhunderts hat sich das Bild der künstlerischen Produktion weitgehend gewandelt. Welchen Regeln folgt sie angesichts der inneren Zwänge einer von Neoliberalismus und Postfordismus geprägten Realität mit ihren Forderungen nach Effizienz, Optimierung, Flexibilität und intelligentem Selbstmanagement? Inwiefern und auf welche Weise wirken Künstler:innen an diesen Bedingungen mit oder reiben sich daran? Einige Künstler:innen reagieren indirekt auf die veränderten Produktionsbedingungen, indem sie mit Begriffen wie "produktive Nicht-Produktion" oder "nicht-produktive Produktion", "kontraproduktive Arbeit" oder dem Körper als Ort der Reproduktion und Selbstproduktion auf ihre inneren Widersprüche hingewiesen haben.

    Die Ausstellung Counter-Production versuchte zu ihrer Zeit die künstlerische Produktion mit einer Befragung von Gesten oder Methoden der „Gegenproduktion“ zu fassen und erfahrbar zu machen. Diesem Versuch lag zugleich eine Neubestimmung des Begriffs der „Gegenproduktion“ zugrunde, der wie das sozioökonomische, technologische und kulturelle Feld, in dem er ursprünglich auftrat, einem historischen Wandel unterliegt und als solcher jeweils neu zu präzisieren ist. Unter dem Einfluss der konterrevolutionären Nach-1968er Bewegung entstanden, ist der Begriff bis heute in Umlauf geblieben und direkt oder indirekt zu einem Gegenstand der Forschung oder Inspiration im Werk zeitgenössischer Künstler:innen geworden; wie im Fall von Marine Hugonniers unabgeschlossenen, teils uneinsehbaren Manuskript Travail Contre Productif (1996–heute), das „Gesten der Zurücknahme“ in ihrer eignen Produktion verfolgt.

    35 Jahre früher beschrieb der Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge „Gegenproduktion“ als eine ästhetische Strategie zur Artikulation einer aus individuellen Erfahrungen organisierten „Gegenkontrolle“, mit dem Ziel, sich innerhalb hegemonialer Strukturen kritisch zu positionieren. Kluges gegenproduktive Praktiken, die in seinen Filmen, Büchern und ungewöhnlichen Fernsehformaten Gestalt annahmen, bildeten einen Teil des Materials für Seth Prices Essay Dispersion (2002), der später in Form der mehrteiligen Siebdruckserie Essay with Knots (2008) und der Videoarbeit Redistribution (2007) wiederauftauchte. Prices Trias macht deutlich, dass Kunst im Zeitalter der digitalen Medien auf die gleiche Art und Weise zirkuliert wie jede andere Information im Internet: manipulationsanfällig und für alle möglichen Kontexte neu verpackt.

    Die Ausstellung zeigte anhand polyvalenter künstlerischer Ansätze, welche die in etablierten Strukturen (Kunst, globaler Finanzwelt, Urbanismus, biologische oder soziale Reproduktion) vorherrschenden Regeln und Bedingungen infrage stellen, wie „Gegenproduktion“ heute in modifizierter und vielseitiger Form wiedergekehrt. Demgemäß war die Ausstellung in unterschiedliche Zonen von Verständigung und Wechselbeziehung zwischen den einzelnen künstlerischen Praktiken unterteilt.

    „Spekulative Fantasie: Hierarchien und strukturelle Bewegung” deutete an, wie die stille normative Ordnung, die von den oben genannten, anerkannten Strukturen ausgeht, in das Gegenteil ihres ursprünglichen Zwecks umschlägt. „Das Selbst modellieren“ betrachtete die Eigentumsverhältnisse des Körpers als Schauplatz von Reproduktion und Selbstproduktion, ein Gebiet, auf dem es nicht nur um die Realität juridischer, biologischer und identitätsbezogener Verhandlungsprozesse, sondern auch um die der ästhetischen und medialen Praxis geht. „Produktives Displacement“ versammelte schließlich Kunstwerke, die von gängigen Konventionen der Produktion, Präsentation und Vermittlung von Kunst abweichen und sich so mit den Gesetzen ihrer Anpassung anlegen.

    Neben Marine Hugonnier und Seth Price untersuchten auch Ricardo Basbaum und Dexter Sinister direkt die Auswirkungen der künstlerischen Produktion. Dass beispielsweise Design- und Distributionsprozesse als "Allegorie" dafür dienen können, wie "die Dinge zu ihrem eigenen Schatten werden", zeigte das Designer-Herausgeber-Verleger-Duo Dexter Sinister mit seinem eigens für die Ausstellung entwickelten Grafikdesign-Kunstwerk, das das Corporate-Design-Konzept der Generali Foundation buchstäblich auf den Kopf stellte.

    "Kreative Spekulationen: Hierarchien und strukturelle Bewegung" legte nahe, wie sich die häufig verborgene normative Ordnung, die aus anerkannten Strukturen hervorgeht, in das Gegenteil ihres ursprünglichen Zwecks verkehrt. Mit performativen und narrativen Methoden hinterfragten die Arbeiten von Mary Ellen Carroll, Goldin+Senneby, Marion von Osten und Lili Reynaud-Dewar verschiedene Handlungsweisen in unterschiedlichen, von neoliberaler Politik geprägten Bereichen wie Kultureinrichtungen, zeitgenössisches Bankwesen, Städtebau oder regionale Entwicklungsplanung. Die abstrakte Welt des globalen Finanzwesens war beispielsweise das Thema der Arbeit The Discreet Charm (2011-2012) des Künstlerduos Goldin+Senneby, bei der das räumliche Modell der Generali Foundation (im Maßstab 1:25) in das Theater einer magischen Wertkonstruktion verwandelt wurde. "Modeling the Self" betrachtete die Eigentumsverhältnisse des Körpers als Ort sexueller und identitätsbezogener Aushandlungsprozesse. Henrik Olesen, Johannes Porsch, Josephine Pryde und Josef Strau zeigten mit unterschiedlichen Ansätzen, wie das Subjekt, das in der Biografie von Künstler:innen identifiziert wird, ebenso wie die künstlerische Praxis in komplexe ökonomische Realitäten verstrickt ist. Olesen beschäftigte sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Maschine, indem er die Figur des britischen Mathematikers Alan Turing untersuchte, während Pryde in ihrer Fotoserie Adoption (2009) Nahaufnahmen eines Kleinkindes mit der Ästhetik der Modefotografie kombinierte, um eine Allegorie auf die Frage zu entwickeln, wie und mit welchen Mitteln das Künstlersubjekt in die Kunstindustrie eingebunden ist.

    In einem Text, der im Ausstellungskatalog Make Your Own Life: Artists In & Out of Cologne (2006) veröffentlicht wurde, prägte Strau den Begriff der "unproduktiven Haltung", um eine Haltung des produktiven Rückzugs zu beschreiben, in der Leben, Arbeit und Ökonomie affektiv miteinander verbunden sind. Er artikuliert damit einen Ansatz der kritischen Distanz, der mit dem Einsatz der "Nicht-Produktion" genau jene Ambivalenz und Widersprüchlichkeit künstlerischer Produktion auf den Punkt bringt, die die explorative thematische Intention der damaligen Ausstellung ausmachte. Die "Gegenproduktion" wollte also aufzeigen, inwieweit ein solcher Ansatz in der Lage ist, der Kunst mögliche Perspektiven zu eröffnen.

    Für Künstler:innen wird die Kunst unter den gegenwärtigen politisch-ökonomischen Bedingungen mithin zu einem zwischen Affirmation und Negation schwankenden Akt kritischer Selbstpositionierung; für die Betrachter:innen liefert sie Raum für die Befragung des eigenen Standpunkts in einer von fortschreitender Prekarisierung gezeichneten Wirklichkeit.