COLLECTED VIEWS
FROM EAST OR WEST

  • 02_2004_3_eastwest_grhalle11 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 03_2004_3_eastwest_grhalle03 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 04_2004_3_eastwest_grhalle04 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 05_2004_3_eastwest_grhalleseite01 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 06_2004_3_eastwest_grhalleseite02-koller Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 07_2004_3_eastwest_grhalleseite06 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 08_2004_3_eastwest_klhalle01 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 09_2004_3_eastwest_zz-piper Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
  • 10_2004_3_eastwest_klhalle02 Ausstellungsansicht: COLLECTED VIEWS. FROM EAST OR WEST, © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
    16.09. bis 19.12.2004
    Kuratorin Ausstellung: Sabine Breitwieser
    Assistenzkuratorin, Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz

    Werke von Marina Abramovic, Pavel Braila, Harun Farocki, Stano Filko, Andrea Fraser, Gorgona, Tomislav Gotovac, Dan Graham, Hans Hollein, Sanja Ivekovic, Milan Knizak, Julius Koller, Jaroslaw Kozlowski, Edward Krasinski, Andreja Kuluncic, Dalibor Martinis, Dora Maurer, Ewa Partum, Adrian Piper, Marjetica Potrc, Jozef Robakowski, Goran Trbuljak, Andrei Ujica u. a.

    Mit dieser Ausstellung wurde, als Teil eines größeren Projektes, eine Reflexion und vor allem eine nachhaltige Vertiefung der Auseinandersetzung der Generali Foundation mit Kunst aus Zentralosteuropa beabsichtigt. Entgegen der gängigen Polarisierung von West und Ost wurden der wechselseitige Austausch sowie zeitgleiche Entwicklungen hervorgehoben. Mit COLLECTED VIEWS FROM EAST OR WEST startete die Generali Foundation einen Ausstellungszyklus zu verschiedenen Themen der Sammlung, zu dem in der Folge eine Publikationsreihe theoretischer Schriften herausgegeben wurde.

    Durch post-kolonialistische Diskurse geschärft, haben sich auch unsere Vorstellungen vom Verhältnis des Westens zum Osten - und umgekehrt - verändert. In Ausstellungen der Generali Foundation wie translocation (new) media art (1999), Re-Play (2000), double life (2001) oder Designs for the Real World (2002) waren bereits wichtige Themen aufgegriffen und künstlerische Positionen aus Zentralosteuropa miteinbezogen worden. Die Ausstellung COLLECTED VIEWS FROM EAST OR WEST stellte sich erneut der Frage von Differenz und Austausch, welche die parallelen Entwicklungen der verschiedenen Kunstströmungen bestimmt. Entsprechend dem Programm der Generali Foundation wurde als Schwerpunkt die Kunst der 1960er und 1970er Jahre, Happenings und Aktionen, Performance und Konzeptkunst sowie Film, Video und Fotografie, exemplarisch beleuchtet. Signifikante Werke von Künstler:innen aus Staaten des ehemaligen Ostblocks traten mit einigen der zu diesem Zeitpunkt jüngsten Neuerwerbungen der Sammlung Generali Foundation in Dialog.

    Dass die Kunst in den Ländern östlich des Eisernen Vorhangs nicht unbeteiligt war an internationalen Kunstströmungen, die üblicherweise dem Westen zugeschrieben werden, lässt sich relativ einfach durch einen Blick in Kataloge wichtiger internationaler Ausstellungen dieser Zeit überprüfen: Information und Austausch, die Möglichkeit zu reisen und an Ausstellungen wie der Biennale de Paris (1969 und 1971), Prospect 71 in Düsseldorf, Trigon in Graz (ab 1963) oder Works and Words (1979) in Amsterdam teilzunehmen, war durchaus gegeben. Besonders im ehemaligen Jugoslawien konnten dagegen auch Künstler:innen aus dem Westen ihre Arbeiten ausstellen.

    Fluxus und Happenings sowie Aktionen im öffentlichen Raum setzen in Zentralosteuropa bereits in den frühen 1960er Jahren ein und wurden in der Ausstellung durch Künstler:innen wie Stano Filko, Milan Knizak, Julius Koller, Jaroslaw Kozlowski und Ewa Partum vertreten. 1965 erklärten Stano Filko, Zita Kostrova und Alex Mlynareik die Stadt Bratislava sieben Tage lang zum Kunstwerk. Das dazugehörige Manifest mit dem Titel Happsoc verband den Begriff des Happening mit jenem der Sozietät bzw. der Gesellschaft. Seit 1970 porträtierte sich Julius Koller jährlich unter dem Titel U.F.O.-naut J.K. (U.F.O) und definierte sich darin als subjektiv-kulturell Agierender in einer extra-terrestrischen und fiktiven Distanz zum Alltag im Kommunismus und Postsozialismus.

    Utopische Architektur, wie sie in Wien von Hans Hollein und Walter Pichler bekannt ist, findet sich in der Slowakei im Werk von Stano Filko wieder, der ebenfalls in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre pneumatische Skulpturen konstruierte und diese damals auch international präsentierte.

    Die in der Sammlung Generali Foundation vertretene Architektin und Künstlerin Marjetica Potrc stellte in ihren Arbeiten seit den 1990er Jahren den Innovationsgeist von Einzelinitiativen ins Zentrum und thematisierte auf diese Weise erneut das Verhältnis der Architektur zur Gesellschaft.

    Konzeptuelle Praktiken in der Kunst waren insbesondere im Umkreis der Gorgona-Gruppe in Zagreb bereits in den frühen 1960er Jahren präsent. Die Zeitschrift Gorgona fungierte als Display für Präsentationen, welche bereits die Grundstrukturen der Konzeptkunst wie Serialität und Selbstreferenz vorführten. Die starke linguistische Tradition Osteuropas sowie die Aufnahme von Ansätzen der formalen Logik zeigen sich in der Arbeit des polnischen Künstlers Jaroslaw Kozlowski. Zwischen 1972 und 1974 realisierte er in der Galerie Foksal in Warschau sein dreiteiliges Ausstellungsprojekt Metaphysics (1972), Physics (1973) und Ics (1974). Darin stellte er grundsätzliche Fragen nach dem Verhältnis von Bezeichnetem und Bezeichnenden, Raum und Zeit, Sprache, Mensch und Objekt. Adrian Piper's restauriertes und erstmals installiertes Werk Relocated Planes (1969) fungierte innerhalb dieser Sektion der Ausstellung als zentrale Referenz. Aus der Sammlung wurde ergänzend eine kleine Auswahl eines großen Konvolutes von Zeichnungen Dan Grahams aus den 1960er Jahren gezeigt.

    Das Streben der Kunst in den öffentlichen Raum, lässt sich jenseits von Aktionen und Happenings auch in installativen Projekten in Osteuropa sehr früh nachweisen. Neben der Dokumentation des Projektes Zone der Imagination (1970) von Jaroslaw Kozlowski im öffentlichen Raum u. a. in Osieki wurden in der Ausstellung zwei Arbeiten der polnischen Künstlerin Ewa Partum gezeigt. Den appellativen Charakter von Zeichen und Sprache dekonstruierte Partum in Legalität des Raumes (1970), einer öffentlichen Installation auf dem Platz der Freiheit in Lodz. Sie kombinierte vorgefundene und selbst entworfene (Verkehrs)schilder und stellte durch die absurde Abwandlung den Befehls- und Verbotscharakter der Schilder und ihre normierende Wirkung bloß. Die Plakataktion Nama (2000) von Andreja Kuluncic setzte die Tradition der Agitation durch Projekte im öffentlichen Raum in den 1990er Jahren fort. Die kroatische Künstlerin thematisierte darin die Schließung einer bekannten Supermarktkette, welche den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht standhalten konnte.

    Durch die Ausstellung audiovisuelle botschaften - trigon '73 in Graz gab es einen intensiven Austausch zwischen Künstler:innen des Westens und jenen des ehemaligen Jugoslawiens im Bereich der Neuen Medien. Im Rahmen dieser ersten europäischen Manifestation der damals neuen Medienkunst konnten Künstler:innen wie Sanja Ivekoviæ, Dalibor Martinis und Goran Trbuljak aus Kroatien im Jahr 1973 ihre ersten Videos produzieren. In seinem Video Nr. 2 thematisiert Trbuljak kritisch die Möglichkeiten des Austausches und des Verständnisses jenseits von Sprachbarrieren.

    Die aus Happening und Aktionskunst entstandene Performance der 1970er Jahre war in der Ausstellung durch die herausragende Position von Marina Abramovic vertreten. Ihre frühen Performances arbeiten mit den Grenzen des körperlich Erträglichen - sowohl für das Publikum als auch für die Künstlerin selbst -, sind aber auch geprägt von einem explizit feministischen Ansatz. Kunst muss hängen (2001), Andrea Fraser's "Rekonstruktion" einer Eröffnungsrede von Martin Kippenberger im "Club an der Grenze" im Südburgenland, stellt sich in diese Tradition.

    Explizit politische Bezüge ließen sich von einigen der ausgestellten Arbeiten ablesen. In I Am Adressing You Man to Man - entwickelt für das Wahljahr 2003 - thematisiert Dalibor Martinis in 100 Stationen Kroatiens Weg zur Demokratie. Das Zusammentreffen von Privat und Öffentlich und dessen Veränderung dokumentiert Josef Robakowski in seinem Video Aus meinem Fenster (1978-1999), in dem er über mehrere Jahre hinweg den gleichen Platz filmt, darunter auch die 1.-Mai-Aufmärsche. Harun Farocki und Andrei Ujica hingegen haben mit ihrem Film Videogramme einer Revolution (1992) die Geschehnisse während der Revolution in Rumänien dokumentiert.

    Zu dieser Zeit widmete sich die Generali Foundation seit einigen Jahren verstärkt der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Vervollständigung der Sammlung. Der Ende 2003 erschienene Sammlungskatalog und die im Frühjahr 2005 gestartete internationale Ausstellungstour der Sammlung waren das Ergebnis dieser Anstrengungen.