Ana Torfs
Album/Tracks B

  • 2010_3_AnaTorfs_grHalle_07 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_grHalle_03 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_grHalleegel_06 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_grHalle_10 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_klHalleegel_02 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_klHalle_05 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_seitenfluegel_04 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
  • 2010_3_AnaTorfs_seitenfluegel_05 Ausstellungsansicht: Ana Torfs. Album/Tracks B, © Generali Foundation, Foto: Margeritha Spiluttini
    03.09. bis 12.12.2010
    Kuratorin: Sabine Folie
    Assistenzkuratorin, Ausstellungsproduzktion: Georgia Holz

    Eine Ausstellung von K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und Generali Foundation, Wien

    ALBUM/TRACKS B kann sich auf ein Fotoalbum beziehen, das, zunächst leer, erst durch seine Bebilderung eine „Geschichte" erzählt, die immer wieder neu gesehen, gelesen und interpretiert werden kann. Man könnte Ana Torfs’ (*1963) künstlerisches Werk in gewisser Weise als eine Hommage an bestimmte Persönlichkeiten und Ereignisse aus Geschichte, Literatur und Film verstehen, deren Spuren und Zeugnissen, Tracks eben, sie nachgeht, um ihnen neues Leben einzuhauchen. So wendet sie sich häufig literarischen und historischen Stoffen zu, wie den Inquisitionsakten zu Jeanne d’Arc (Du mentir-faux, 2000), den Gerichtsakten um die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Anatomy, 2006) oder den Konversationsheften Ludwig van Beethovens (Zyklus von Kleinigkeiten, 1998). Die Medien, in denen diese Inhalte transportiert werden, sind vielfältige reproduktive Techniken: Sie reichen von Film, Video, Diainstallation und fotografischer Serie bis zu Xerox-Kopie und Siebdruck.

    Bereits 1998 – nach ihrem bislang einzigen Spielfilm Zyklus von Kleinigkeiten – hat sich die Künstlerin neben der Fotografie der kontemplativeren und konzentrierteren Form der Diainstallation zugewandt und diese weiterentwickelt. Die Technik der Diainstallation kommt der Emphase und Versenkung in eine Figur oder eine historische Begebenheit entgegen. Sie macht es möglich, einerseits die Statik der Fotografie, bei gleichzeitiger fotografischer Genauigkeit, zu vermeiden und andererseits die Monumentalität des großflächigen Kinobildes sowie den Einsatz von Ton fruchtbar zu machen. Das paradoxerweise durch Zurückhaltung suggestive Bild – häufig Großbildaufnahmen von Gesichtern oder Orten – und die Eindringlichkeit von sparsam eingesetztem Text oder Musik werden von Torfs mit Virtuosität und Präzision zu bildmächtigen Tableaux mit psychologischer Durchdringung arrangiert.

    ALBUM/TRACKS A und B bot den ersten Überblick über das gesamte Werk der in Brüssel lebenden Künstler:in, wobei die Ausstellungen in K21 in Düsseldorf und in der Generali Foundation einander ergänzten.

    Während an beiden Stationen jeweils eine etwas anders gewichtete Zusammenstellung früherer Arbeiten zu sehen war, wurden die damals neuen fotografischen Serien Family Plot #1 und #2 sowie Legend erstmals in Wien gezeigt. Family Plot widmet sich der Thematik der botanischen Nomenklatur von Carl von Linné und geht den Verästelungen der Geschichte der Botanik und der Kolonisierung nach. Torfs versteht dieses „elitäre" Benennungssystem der weltweiten Flora als „sprachlichen Imperialismus", den sie mithilfe gefundener Portraits, historischer Karten und weiteren Archivmaterials nachzeichnet.

    In Legend wird die Bedeutung des Wortes „Legende" als „Mythos" und „Bezeichnung" mit mythologischen Erzählungen, historischen Fakten der Kolonisierung und der zeitgenössischen Flüchtlingsproblematik auf der kanarischen Insel La Gomera verschränkt. Schließlich wurde die damals neue Diainstallation Displacement an beiden Ausstellungsorten erstmals präsentiert. Die schwedische Insel Gotland, die Ana Torfs 2007 im Rahmen einer Residency besuchte, inspirierte die Künstlerin zu einem fotografischen Remake von Roberto Rossellinis Viaggio in Italia (Journey to Italy) von 1954. Schwarz-Weiß-Fotografien der kargen Insellandschaft, die noch deutlich die Spuren der militärischen Nutzung während des Kalten Krieges trägt, sowie Bilder aufgeladener Erinnerungsorte werden den Porträts der ProtagonistInnen gegenübergestellt; über Kopfhörer waren die Dialoge eines sich auf einer Reise entfremdenden Paares zu hören. Das gesprochene Wort und das statische fotografische Bild verweben sich bei Torfs zu einem imaginativen Raum, der inneres und äußeres Erleben, Projektion und Introspektion erfahrbar macht.

    Das Verhältnis von Text und Bild sowie deren Wechselwirkung ist ein zentraler Aspekt in Ana Torfs’ Werk, was besonders in der zweiteiligen Installation Elective Affinities/The Truth of Masks & Tables of Affinities (2002) zum Ausdruck kommt. Auf 14 Tischen sind Notizen, Arbeits- und Archivmaterialien der Künstlerin ausgebreitet, literarische Fragmente und gedankliche Motive, assoziativ zusammengefügt. Zwei Diaprojektionen zeigen Portraits: Ein Mann und eine Frau präsentieren sich in stets gleicher Pose in wechselnden Kostümen. Die scheinbar endlose Maskerade der beiden Modelle, die nie ihr „wahres Gesicht“ zeigen, kann je nach Belieben in Zusammenhang mit den Texten gelesen, aber genauso gut als eine spielerische Befragung von Begriffen wie Wahrheit und Identität gesehen werden. Angesichts des häufig radikalen „Widerstands“ von Individuen gegenüber Intoleranz, Entfremdung und Extremismus – ein zentrales Thema des von der Künstlerin ausgewählten Text- und Bildmaterials – bekommen diese Fragen ein anderes Gewicht.

    Einige Werke Ana Torfs’ werden von Publikationen begleitet, in denen dieselbe grafische und inhaltliche Sorgfalt waltet wie in den Arbeiten. Die Bücher fungieren als Erweiterung und Kommentar, als eine Art Exegese, die von der Künstlerin betrieben wird, und sie stehen doch für sich. In Torfs’ Publikationen ist Text ebenso überhöht wie Sprache und Stimme in ihren Installationen – ob gesprochen oder als Textinsert behandelt. Dadurch kommt ein theatraler Modus zum Tragen, der die reflexive Dimension der/des Dargestellten weiter vertieft und sich dem Einsatz eines Verfremdungseffekts verdankt, wie ihn Bertolt Brecht beschrieben hat: Theater als Theater der gefilterten und essentialisierten Emotionen und Sinne zu begreifen, die als soziale Gesten verstanden werden